bq Aquaris E5 HD Ubuntu Edition Testbericht

Ich habe mich mit diesem Test sehr schwer getan. Das „bq Aquaris E5 HD Ubuntu“ ist das erste Ubuntu Phone, welches ich bisher in den Händen haben durfte, weswegen ein Vergleich zu ähnlichen Geräten fehlt. Eine vollkommen neue Erfahrung mit einem mir vollkommen unbekannten Betriebssystem – irgendwie auch mal schön, anstatt nur neue Hersteller-Oberflächen unter Android ausprobieren zu können.

Verarbeitung und Haptik

Doch bevor wir zur Oberfläche der Software kommen, wollen wir uns erst einmal die Oberfläche des Gerätes anschauen. Das bq Aquaris E5, welches ich getestet habe, ist äußerlich ein schlichtes Gerät. Es wirkt kantig, und tatsächlich finden sich kaum Rundungen im Gehäuse – beinahe schneidet es in die Handflächen und vor allem die Kante, die zwischen Backcover und Display zu finden ist, macht es zu keinem Handschmeichler. Durch die solide Verarbeitung, auch, wenn die Rückseite aus Plastik besteht, entsteht jedoch ein wertiger Eindruck, nichts knarzt, nichts quietscht. Doch, wie erwähnt, ist es unbequem zu halten.

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Technische Daten

  • 142 x 71 x 8,65 mm, 134 Gramm
  • 5 Zoll Displaydiagonale, 1280 x 720 Pixel (294 PPI)
  • MediaTek Quad-Core-CPU mit 4 Cortex-A7-Kernen (bis zu 1,3 GHz)
  • 1 GB RAM
  • 16 GB Speicher (nutzbar davon 13 GB), erweiterbar mit microSD um bis zu 32 GB
  • Dual-SIM-Slot (kein LTE, nur 3G)
  • WLAN, 802.11 b/g/n, Bluetooth 4.0, (a-)GPS
  • Kameras: 13 MP hinten, 5 bis 8 vorne, Dual-LED-Blitz

Besehen wir uns die Seiten des Smartphones, sind auf der linken Seite zwei microSIM-Slots zu finden, die mit einer Stecknadel oder eine Büroklammer ausfahrbar sind, auf der Oberseite ist der Slot für die microSD neben dem Klinkenstecker angebracht. Rechts, ungewohnt weit oben, wurde der Powerbutton mit einem unspektakulären Druckpunkt platziert, darunter sind die Lautstärkeknöpfe ertastbar. Einen Knopf für den Kameraauslöser gibt es nicht, doch scheint dieser inzwischen auch nicht mehr zeitgemäß – schade eigentlich, denn ich finde einen solchen immer ziemlich praktisch.

Zu guter Letzt sind auf der Unterseite die Lautsprecher, die den microUSB-Anschluss flankieren, zu finden. Die ausschließlich in schwarz verfügbare und somit sehr fingerabdruckanfällige Rückseite bietet lediglich die Kamera links oben mit einem LED-Blitz und den bq-Schriftzug in der Mitte.

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Hardware und Leistung

Nachdem das Äußere des Smartphones geklärt wäre, fehlt nur noch die Hardware im Inneren – und die ist kaum zu beurteilen, da, wie eingangs erwähnt, eine Referenz fehlt. Ich wünschte, ich könnte daher sagen, die CPU mit vier Cortex-A7-Kernen (vermutlich ein MediaTek MT6582) würde ihren Job flüssig und performant erledigen, doch leider ist das nicht der Fall. Mein Gefühl sagt allerdings, dass das weniger an der fehlenden Leistung liegt, als an der Software.

Um es kurz zu sagen: Das Ubuntu Phone OS fühlt sich an wie ein altes Symbian. Richtige „Apps“ finden sich im Ubuntu Store so gut wie überhaupt nicht, denn die meisten sind lediglich unflüssige Webapps. Doch selbst native Standardanwendungen wie die Kamera benötigen hin und wieder ihre Gedenksekunden, bis sie endlich gestartet sind – und dann kann der Moment, den man unbedingt mit der Kamera festhalten wollte, schon wieder vergangen sein. Positiv festzuhalten ist hingegen das Display.

Auf den 5 Zoll macht sich die HD-Auflösung von 1280 x 720 Pixeln ziemlich gut. Die Farben stimmen und auch die Helligkeit reicht vollkommen aus. Auch, wenn beim Aquaris E5 laut Datenblatt nicht bqs „Quantum Color“-Technologie zum Einsatz kommt, scheint der spanische Hersteller in puncto Bildschirme Einiges auf dem Kasten zu haben. Zu Akku und Lautsprecher ist wenig zu sagen. Der Lautsprecher ist laut, aber leicht schnarrend und versagt in den Tiefen, der Akku hält bei durchschnittlicher Benutzung gut und gern seine zwei Tage durch.

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From Zero to Video

Startet man das Ubuntu Phone, erscheint selbstverständlich als erstes der Lockscreen. Dieser präsentiert einen Kreis, der aus 28 bis 31 Punkten besteht und umringt dabei üblicherweise den Schriftzug „Keine Videos von heute“. Was die Punkte bedeuten (ich habe erst nach dem Nachschlagen auch nachgezählt)? Natürlich den Fortschritt im Monat! Selbsterklärend! (Nicht.) Und wie oft mache ich bitte Videos mit meinem Smartphone? Wenn da die Anzahl der Fotos stehen würde, wäre es noch nachvollziehbar, doch Videos mache ich dann doch eher selten. Über dem Monats-Kreis stehen natürlich noch Datum und Uhrzeit. Anpassungen des Lockscreens sind im Übrigen nicht vornehmbar, lediglich den Hintergrund kann man austauschen.

Die Scopes

Nach Entsperren des Smartphones, was sich durch normales Wischen, einen vierstelligen PIN oder eine Passphrase erledigen lässt, befindet man sich auf dem „Homescreen“. Einen richtigen Homescreen, wie man es bisher gewohnt war, gibt es in dem Sinne allerdingt nicht, denn der Homescreen bietet lediglich eine unanpassbare Aufzählung von Informationen wie Datum, Wetter, Kalendereinträge und aktuelle Anrufe oder SMS. Ein Wisch nach links und ihr findet den „NearBy“-Bildschirm, der euch das Wetter etwas ausführlicher präsentiert und, abhängig von eurer Stimmung, die ihr über ein Dropdown auswählen könnt, ausgewählte Locations von Yelp, Apps aus dem App Store und käuflich erwerbbare Musik.

Tippt ihr beim Wetter auf einen bestimmten Tag und wollt eine noch exaktere Vorhersage, werdet ihr in den Browser geschickt – was meiner Meinung nach beim ganzen System viel zu oft passiert, denn der Browser ist langsam und wirft euch aus der ganzen, symbiotischen Oberfläche. Naja, so symbiotisch ist sie auch wieder nicht, denn selbst das Wischen von einem „Scope“, wie sich die Seiten nennen, bedarf manchmal einiger Geduld.

Nach dem „NearBy“-Screen folgt der interessante Teil des „Smart“phones, denn dort befinden sich die installierten Apps. Warum dieser nicht der eigentliche Homescreen ist, sondern erst mit weiteren zwei Swipes, also gefühlt rund 3 Sekunden, angesteuert werden muss, ist mir schleierhaft. Neben den Systemapps wie Telefon, Kamera, etc. gibt es auch noch die aus dem App Store. Die Amazon-App ist da zum Beispiel ein Glanzstück, denn diese öffnet selbstredend lediglich ein Browser-Fenster. Wenn sie wenigstens Amazon.de aufrufen würde, könnte man es ja noch verschmerzen, doch mit Amazon.co.uk kann ich leider herzlich wenig anfangen – dafür muss man die vorinstallierte Amazon-App deinstallieren und die explizite Amazon.de-App installieren. Ähnlich verhält es sich bei den anderen Anwendungen. Manchmal sieht man ganz genau, dass der Browser geöffnet wird, manchmal ist die Webapp in einen eigenen Browser gekleidet.

Wischi (Waschi)

Wischt man in einem Scope nach oben, findet sich eine Liste der installierten Apps, die ebenfalls mit einem eigenen Scope daherkommen. Auch eine Instagram-Einbettung ließe sich so in eine der Seiten einflechten, was bei mir auf Teufel komm‘ ‚raus aber nicht funktionieren wollte – ein Einloggen war einfach nicht möglich. Die einzelnen Apps kann man per Stern in die Scopes einfügen und mit einem erneuten Tap auf dem Stern rechts oben, wenn man sich auf dem entsprechenden Scope befindet, wieder entfernen.

Neben den erklärten Wischbewegungen gibt es noch drei weitere. Da wäre zum einen zum Beispiel noch der Wisch vom rechten Außenrand nach innen. So kommt man in den erschreckend intuitiv zu benutzenden Taskmanager. Wie man es von Android oder iOS gewöhnt ist, lassen sich die Apps mit einer Fingerbewegung nach oben beenden oder anwählen, lediglich der Homescreen ist nicht schließbar.

Die zweite, verbleibende Bewegung ist genau Spiegelverkehrt und öffnet eine Ubuntu-typische Seitenleiste mit wichtigen Systemapps, so zum Beispiel dem Telefon, den Nachrichten, Kontakten, Einstellungen, Kamera, Browser etc. Ganz unten in der Liste ist der „Homebutton“, der zurück zum „Heute“-Scope führt. Dieser ist auch relativ gut zu gebrauchen, denn einen physischen oder kapazitiven Homebutton gibt es nicht.

Die letzte Bewegung ist der Wisch vom oberen Bildschirmrand nach unten, der, wer hätte es erwartete, die Statusleiste auszieht. In insgesamt neun Tabs finden sich Benachrichtigungen, Drehung, Dateien (Mobilfunkdaten), Standort, Bluetooth, Netzwerk, Klang, Akku sowie Zeit und Datum. Leider lassen sich diese nicht mit einem Swipe wechseln, sondern müssen oben in der durchscrollbaren, horizontalen Liste ausgewählt werden – manchmal wischt man dabei zu weit oder zu wenig und findet nicht wirklich schnell zu seinem Ziel. Das mag jetzt nach Erbsenzählerei klingen, doch in der Praxis fiel es mir unangenehm auf.

Kamera

Ich bin wahrlich kein Kameraprofi, doch bin ich nicht wirklich zufrieden mit der im bq E5 verbauten Knipse. Zugegeben, die Fotos sind bei miesem Wetter geschossen worden, dennoch wirken sie verwaschen und kalt gefärbt. Dennoch habe ich schon schlechtere Kameras gesehen und denke daher, dass das für ein Smartphone dieser Klasse in Ordnung geht.

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Ein kleiner Rundgang mit Screenshots

Eigentlich wollte ich eine Videoaufnahme des Displayinhalts machen. Da das aber nur über komplizierteste Terminal-Befehle machbar ist und ich keine brauchbare Schritt-für-Schritt-Anleitung gefunden habe, gibt es einen Haufen Screenshots.

Und sonst noch

  • Cut The Rope Free ist vorinstalliert – und lässt sich nur im Querformat spielen.
  • WhatsApp findet sich im Ubuntu Store nicht, dafür jedoch Telegram.
  • Einen Screenshot macht man mit dem gleichzeitigen Herunterdrücken von den Lautstärketasten.
  • Für die Nutzung des App Stores ist ein „Ubuntu One“-Account erforderlich.

Fazit und Wertung

bq macht vieles richtig. Die Hardware stimmt, denn die Verarbeitung geht in Ordnung, Display und Kamera sind okay und sind einem aktuellen Smartphone angemessen. Das Problem ist das Experiment von Ubuntu auf einem Smartphone. Auf dem Desktop habe ich Ubuntu ebenfalls schon mehrfach eine Chance gegeben, da mir Windows manchmal mit seiner Alleskönnenwollerei auf die Nerven geht, doch Ubuntu funktionierte auch nicht immer viel besser. Kurz: Hardware gut, Software nicht.

Es tut mir leid. Ich bin ausgesprochener Vertreter von neuen Konzepten, von Experimenten und meinetwegen von Unausgereiftheit (denn ich tippe diesen Artikel gerade auf einem Chromebook…), aber das passt einfach alles nicht. Tut mir leid, bq und Ubuntu, doch 200 Euro für ein ruckeliges Featurephone sind echt zu viel.

Sollten nach dem Lesen des Testberichtes noch Fragen offen sein, freue ich mich, sie in den Kommentaren zu beantworten!

Weitere Informationen und den offiziellen Shop finden sich auf der Herstellerseite unter bq.com. Großer Dank geht an bq, die mir das Gerät freundlicherweise zum Testen zur Verfügung gestellt haben und Kollege Niklas, der die Fotos geschossen hat.

Wertung des Autors

Jonathan Kemper bewertet bq E5 HD Ubuntu Edition mit 2.6 von 5 Punkten.


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