Hat Google das Vertrauen verloren?

Marktgeschehen

Die Tech- und Blogger-Szene ist im Aufruhr. Google stellt zum 1. Juli seinen beliebten Reader ein und sorgt damit für teilweise sehr hitzige Diskussionen im Netz. Seit einigen Tagen ist mein Reader voll mit „Warum macht Google das?“ bis hin zu „Darum macht Google das“-Berichten. Viele suchen nach Gründen und wollen eine Erklärung liefern. Nach der Vorstellung von Keep gab es direkt die ersten Witze, wann Google denn diesen Dienst wieder einstellen wird. Teilweise äußerten sich Nutzer aber auch ernsthaft dazu, warum sollte man Google denn hier vertrauen, am Ende ist Keep genauso wenig lukrativ wie der Reader und wird wieder eingestellt. Ich will jetzt nicht behaupten, dass Google ein besonders vertrauenswürdiges Unternehmen ist, doch mit dem Ende des Readers hat man es sich mit vielen Nutzern verscherzt, die in der heutigen Zeit extrem wichtig und teilweise sehr einflussreich sind.

„Google „wirft sich auf den Boden“ und „schlägt um sich“. Der Reader hatte soziale Kernfunktionen, mit „verzerrtem Gesicht“ lässt sich darin eine Konkurrenz zu Google+ erkennen. Offenbar brachte der Reader vielen Seiten noch immer wesentlich mehr Traffic. Google ist „gekränkt“ und „gebärdet sich verzweifelt“, das ist der Schlüssel zum Verständnis seiner zunehmend irrational erscheinenden Handlungen. An mangelndem wirtschaftlichem Erfolg liegt es nicht, seit Larry Pages Übernahme steigen Umsatz und Gewinn.“ Sascha Lobo für Spiegel Online.

Die meisten Menschen werden den Reader nicht kennen und ihn auch nicht nutzen und selbst wenn sie davon erfahren würden, so gibt es für den normalen Nutzer wenige Anreize eine Sammlung an News-Feeds anzulegen. Trotzdem gibt es da eine Gruppe, welche den Dienst nutzt und hier handelt es sich oftmals um Leute, welche den Reader als Quelle nutzen, um dort interessante Meldungen zu finden, über die man berichten kann. Solche Leute haben nicht selten auch mal eine große Gefolgschaft in sozialen Netzwerken und ich kenne glaube ich nur einen Blogger, der den Reader (und RSS-Feeds) nicht nutzt.  Sollte Google jetzt also den Reader weiterführen, um es sich mit diesen Leuten nicht zu verscherzen? Nein, das ist kein erfolgreiches Geschäftsmodell. Doch ganz so einfach ist es glaube ich auch nicht.

„I have no problem paying for Instapaper or Pocket or Dropbox or Skype or anything that helps me do my job. And if anything that starts out free (Dropbox did) and then wants me to pay for it (like Evernote), I don’t hesitate upgrading. Why? Because I want these guys to be around.“ Om Malik für GigaOM.

Doch bevor man den Dienst in die ewigen Jagdgründe schickt, hätte man doch auch mal ein paar andere Wege ausprobieren können. Wie wäre es mit einem Bezahlmodell, einer kompletten Überarbeitung oder anderen Extras, die attraktiv sind. Fakt ist auch, dass viele Entwickler von dem Dienst abhängig sind und auch wenn das Ende des Readers nicht das Ende der Feeds bedeutet, so könnte es das Ende für einige Anwendungen bedeuten. Doch der Reader ist nicht das einzige Problem, für mich ist es mittlerweile das Geschäftsmodell von Google, welches mich hat umdenken lassen. In den letzten Jahren ist irgendwie so vieles bei Google gelandet, dass ich abhängig von diesem Unternehmen bin. Sei es Mail, der Reader oder eben die Suche, für so viele Dinge nutze ich Dienste von Google. Was ist, wenn für Google der Mail-Verkehr eines Tages uninteressant ist? Wird so schnell nicht passieren, ich weiß, aber ich schließe es auch nicht aus. Zumindest ist es jetzt ein fester Gedanke in meinem Hinterkopf.

„But I’m not sure I want to be a Google early adopter anymore. I love Google Reader. And I used to use Picnik all the time. I’m tired of losing my services. In fact, I’m starting to worry a bit about Gmail, which is at the core of pretty much my entire life. I know, I know — Gmail is safe. The data it feeds into the Google mainframe is extremely valuable to the search giant.“ Ezra Klein für die Washington Post.

Zu viele Dienste wurden schon begraben, die Potential hatten, oder aber nur eine geringe (und treue) Nutzerschaft aufweisen konnten. Entscheidungen werden bei Google auch nicht aus Sicht des Nutzers, sondern aus Sicht des Marktes getroffen. Ist ein Dienst nicht weit verbreitet, oder nicht von Vorteil für den Umsatz, dann wird er eingestellt. Machen wir uns nichts vor, das ist schon immer so und kann auch nicht anders funktionieren. Doch Google wollte uns das irgendwie immer glaubhaft machen, in dem man viele gute Dienste anbietet, welche den Nutzer nichts kosten. Dieses Bild kippt und dafür ist nicht nur das Ende des Readers verantwortlich. Es bringt allerdings nichts hier eine Online-Petition zu unterstützen, denn das einzige Argument für Google wäre: Geld. So funktioniert der Markt. Und verkaufen dürfte wohl keine Option sein.

Google would not give you options. Google would not even take your money to grow your mailbox beyond 25 GB. Google would not take your money to be able to ActiveSync your GMail account. Google would just take it away. Reader is only the latest example. It’s one data point in the new Google way.They bent the metal too often. My trust in Google is broken.“ Volker Weber für vowe.

Ich kritisiere die Entscheidung durchaus, denn ein Dienst wie der Reader hat meiner Meinung nach einen größeren Wert, als einfach nur Umsatz. Es gibt auch Dienste, die ein Unternehmen des Images wegen pflegen kann und sollte. Und ich glaube nicht, dass der Reader für Google besonders teuer oder aufwändig zu betreiben ist. Was ich für mich festgestellt habe: Weniger Abhängigkeit von Google. In den nächsten Wochen wird es zahlreiche Alternativen geben, Feedly hat hier zum Beispiel gute Chancen, aber auch für andere Bereiche werde ich mir zumindest mal Gedanken über einen möglichen Wechsel machen. Das Vertrauen in Google hat in meinem Fall einen großen Knacks bekommen. Wie sieht das bei euch aus, hat Google in den letzten Wochen das Vertrauen verloren? Es waren ja nicht nur Dinge wie das Ende des Readers, auch das Ende von Exchange sorgte für eine Menge negativer Schlagzeilen da draußen.

“Someday someone will do something in this space that will work. And maybe then Google will buy them.” Nick Baum bei AllThingsD.


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