LG P760 Optimus L9 Testbericht

Mit dem P760 Optimus L9 hat LG vor nicht allzu langer Zeit ein Smartphone der Mittelklasse auf den Markt geworfen, das vielen wohl als „Volks-Smartphone“ bekannt sein dürfte. Der Zeitpunkt, so könnte man zumindest meinen, hätte nicht ungünstiger sein können, denn mit dem Google Nexus 4 gibt es ein absolutes High-End-Smartphone im vergleichbaren Preissegment. Nun habe ich das L9 seit zwei Monaten bei mir im Test und so stellt sich natürlich die Frage, ob es für diese Art von Smartphones in dieser Preisregion noch eine Daseinsberechtigung gibt. Darüber hinaus stellt sich ebenso auch noch die Frage, wie sich das Smartphone im Langzeittest bewährt hat und was sich seit meinem ersten Eindruck alles getan hat.

Lieferumfang und Spezifikationen

Auf dem Blatt liest sich das Optimus L9 schon einmal nicht schlecht. Auf den ersten Blick verwundert das große Display in Verbindung mit der qHD-Auflösung. Ansonsten ist eben nette Technik verbaut: Ein Dual-Core-Prozessor, ein GB RAM und ein nett dimensionierter Akku. Enttäuschend fällt direkt auf, dass lediglich Android 4.0.4 vorinstalliert ist – auf die Performance-Verbesserungen von Project Butter, die mit 4.1 Jelly Bean Einzug hielten, muss man also verzichten. Im Detail sehen die Leistungsmerkmale wie folgt aus:

  • 4,7” IPS-Display mit 540 x 960 Pixeln (234 ppi)
  • 1 Ghz Dual-Core TI OMAP 4430 CPU
  • Android 4.0.4 Ice Cream Sandwich mit LG-UI
  • 1 GB RAM und 4 GB interner Speicher (per Micro-SD um max. 32 GB erweiterbar)
  • Kameras: 5 MP (Rückseite) und VGA (Frontseite)
  • Abmessungen: 131,9 x 68,2 x 9,1 (in mm)
  • Gewicht: 125 Gramm
  • Akku: 2.150 mAh
  • Videoaufnahme: 1920 x 1080 Pixel (1080p)
  • HSPA, Wi-Fi 802.11 b/g/n, Bluetooth 3.0 und NFC

Der Umfang der Packung ist purer Standard: Micro-USB-Kabel, Netztsecker und Kurzanleitungen. Mittlerweile etwas überraschend sind auch die beiligenden Kopfhörer mit integrierter Freisprecheinrichtung. Erwartungsgemäß sind die alles andere als gut, allerdings ist es eben ein nettes Nice-To-Have in Zeiten, in denen viele Geräte ohne Kopfhörer daherkommen.

Hardware und Design

lg p760 optimus l9 fotos 01

Generell liegt das Gerät recht gut in der Hand, wenngleich man hier keinen absoluten Handschmeichler vor sich haben wird. Die geriffelte Kunststoff-Rückseite gibt dem L9 die nötige Griffigkeit, ist aber auch das größte Manko an der Hardware: Die ist nämlich ziemlich minderwertig verarbeitet, sehr dünn und daher fast schon beeindruckend biegsam. Sieht man das positiv, könnte man meinen, dass die Rückseite auch bei extremeren Biegungen nicht zerbrechen wird. Darüber hinaus aber wirklich unschön: Drückt man etwas auf die Rückseite ein, lässt sich diese ein klein wenig durchdrücken, sodass man quasi den Zwischenraum zwischen Akkudeckel und Akku ertasten kann.

Ansonsten gibt es an der Hardware wenig zu meckern. Die verchromten Seitenteile sind ein netter Hingucker, die Buttons haben einen guten Druckpunkt. Die Lautstärke-Buttons hätten allerdings etwas größer dimensioniert sein können. In der Hosentasche sucht man dann und wann doch mal ein bisschen länger nach diesem Button. Insgesamt wirkt das Design aber relativ uninspiriert und generisch.

Geschmackssache ist sicherlich der Aufbau der Navigationsbuttons. Wie man es von Samsung-Smartphones gewohnt ist, gibt es zwei kapazitive Buttons für Back und Menu und einen physikalischen Home-Button. Ich persönlich bin überhaupt kein Fan von physikalischen Buttons, da man zum Betätigen einen gewissen Kraftaufwand anwenden muss. Schlimmer allerdings finde ich das daraus resultierende Fehlen eines Multitasking-Buttons. Diese Funktion versteckt sich hinter einem Longpress auf den Home-Button, was wiederum dazu führt, dass man sehr viel weniger mit Multitasking arbeitet, als bei Geräten mit Software- oder kapazitiven Buttons.

Display

lg p760 optimus l9 fotos 11

Liest man sich das Datenblatt durch, müsste man meinen, dass das Display höchstens durchschnittlich ist. 4,7’’ mit 540 x 960 Pixeln liest sich eben nicht so toll. In der Praxis muss ich aber sagen, dass die kleinere Auflösung kein Stück auffällt, was irgendwie paradox ist. Beim Lumia 900 hatte ich damals bei 4,3’’ mit 480 x 800 Pixeln problemlos Pixel sehen könnten, hier aber eben nicht. Das IPS-LCD leistet wirklich tolle Arbeit. Die Farben sehen authentisch und nicht ausgewaschen aus, die Schärfe ist gut und Schrift sieht ebenfalls sehr gut aus. Ich hatte zunächst gedacht, dass es sich um ein 720p-Display handelt – erst, nachdem ich noch einmal auf das Datenblatt geschaut habe, wurde mir klar, dass es ein qHD-Display ist.

Dass es sich hier nicht um eine 720p-Auflösung handelt, merkt man erst, wenn man es mit einem Smartphone mit guten HD-Display vergleicht. Dann fällt die etwas geringere Schärfe auf. Ohne den direkten Vergleich mit meinem Nexus 4 wäre mir das aber tatsächlich nicht aufgefallen. Ich will mich nicht davon freisprechen, dass ich absolut blind sein mag – aber das Display ist wirklich so gut, wie ich es beschreibe und somit ein Highlight des Mittelklasse-Smartphones.

Software

lg p760 optimus l9 screemshot 01Auf dem Optimus P760 L9 ist Android mit der Version 4.0.4 vorinstalliert. Dass das alles andere als optimal ist, dürfte nicht zur Diskussion stehen. Aber gut, so sind die Dinge nun einmal. LG hat darüber hinaus auch die eigene Oberfläche eingesetzt. Diese führt einige neue Dinge ein: Da wäre z.B. ein anderer Lockscreen, aus dem man auch bis zu vier konfigurierbare Apps heraus starten kann. Für den Lockscreen gibt es auch verschiedene Uhren- und Kalender-Widgets. Mir gefällt der Lockscreen insgesamt ziemlich gut.

Auch ansonsten gibt es ein paar nette Zusatzfunktionen: Eine konfigurierbare Energiesteuerung in der Benachrichtigungsleiste, ein paar zusätzliche (Social-)Widgets und ein paar Apps, von denen wiederum nur zwei wirklich nennenswert sind: Zum einen wäre da SmartShare, ein simpel gehaltener und guter DLNA-Client und zum anderen QuickMemo, mit dem man einen Screenshot der aktuellen Anzeige erstellen und diese bearbeiten kann. So lassen sich z.B. Notizen, Markierungen etc. recht schnell und angenehm erstellen. Dass sich LG hier ziemlich auffällig bei Samsung bedient, muss ich nicht weiter erwähnen, oder?

Insgesamt finde ich die Software-Anpassungen, die LG vorgenommen hat, nicht schlimm. Einige Erweiterungen sind sogar recht sinnvoll und sehr cool gemacht. Überhaupt hat LG größtenteils nicht allzu viel mit Stock-Android gemacht, als die genannten Erweiterungen eingeführt und die Optik geändert. Der allgemeine Look der Oberfläche ist natürlich sehr bunt und definitiv Geschmackssache. Ich persönlich kann hier sagen, dass ich das nach nach einem Jahr mit dem Galaxy Nexus als nette Abwechslung empfand. Ich kann mich also damit anfreunden.

Performance

Dass die LG-eigene Oberfläche auf dem L9 zum Einsatz kommt wäre früher gleichbedeutend mit einer mittelschweren Katastrophe gewesen – heute aber ist das nicht mehr der Fall. LG hat stark an Verbesserungen der Oberfläche gearbeitet, sodass Android zu 95% der Zeit flüssig läuft. Im Widget-Drawer und vor allem in den App-Settings der System-Einstellungen kommt es dann und wann mal zu kleineren Denkpausen – ersteres empfinde ich nicht schlimm, zweiteres kann man dadurch verkraften, dass man im Normalalls sehr wenig Zeit in den App-Settings verbringt.

Abgesehen von den beiden angesprochenen Ausnahmen läuft das System, wie gesagt, flüssig. Auch Spiele waren in meinen Tests keine Probleme. Dead Trigger lief z.B. durchgehend flüssig, auch wenn viel auf dem Display los war. Insgesamt kann man hier nicht wirklich viel meckern. Die Performance geht insgesamt absolut in Ordnung, die Bedienung des Smartphones macht Spaß.

Kamera

lg optimus l9 kamera 01

Die Kamera des L9 ist ein Spiel zwischen Himmel und Hölle. Nun gut, “Himmel” ist übertrieben, aber unter guten Lichtverhältnissen schafft es die Kamera tatsächlich, brauchbare Aufnahmen zu machen. Natürlich reicht die Bildqualität nicht an die eines iPhone oder eines Galaxy S3 heran, aber das kann man hier auch gar nicht erwarten. Auf der anderen Seite fallen Aufnahmen aber oft auch sehr schlecht aus. Die Fotos sind dann sehr verwaschen, haben mit Artefaktbildungen zu kämpfen und teilweise auch farblos. Aufnahmen bei schlechten Lichtverhältnissen fallen dann noch einmal ein Stück weit schlechter aus. Alles in allem ist die Kamera also ok, aber eben nicht „gut“.

Sonstiges

Dass der interne Speicher lediglich vier GB groß ist, finde ich persönlich mittlerweile nicht mehr so schlimm. Ich habe mit meinen ca. 40 Apps alles installiert, was ich benötige und komme gut mit dem Platz aus. Zwischenzeitlich wurde es auch für mich nervig, als ich die Spiele-Performance testen wollte und Spiele immer wieder erst deinstallieren musste, bevor ich neue installieren konnte. Apps lassen sich übrigens nicht auf die SD-Karte verschieben.

Telefonie ist mit dem L9 natürlich kein Problem. In meinen Tests haben sich die Gesprächspartner nie über eine mangelhafte Gesprächsqualität beschwert – teilweise war sogar das Gegenteil der Fall, sodass mir gesagt wurde, dass man mich leichter verstehen würde, als früher (mit dem Galaxy Nexus).

Das Hören von Musik ist so eine Sache. Bei lokaler Musik nutzt man einfach eine Micro-SD-Karte, streamt man aber Musik mittels Spotify, Rdio oder einem anderen Dienst, kann es schnell nervenaufreibend werden, wenn deren Android-Apps nicht die Offline-Speicherung auf der SD-Karte erlauben. Spotify und Rdio erlauben das z.B., wie es bei anderen Diensten aussieht, kann ich allerdings nicht sagen. Hier sollte man sich am besten vorab informieren.

In den Kommentaren zum ersten Eindruck des L9 wurde ich gefragt, wie sich das Gerät bei schwacher WiFi-Konnektivität mit Media-Streaming macht. Ich persönlich hatte dabei beim DLNA-Streaming von meinem NAS aus und Anschauen von YouTube-Videos keine Probleme. Auch Rdio und WiMP haben einwandfrei Musik gestreamt.

Die Akkulaufzeit ist mir sehr positiv aufgefallen. An einem normalen Arbeitstag verlasse ich gegen sechs Uhr meine Wohnung und  bin um 17 Uhr wieder zu Hause. Mit dem L9 komme ich dann ca. anderthalb Tage mit einer Akkuladung aus. Dabei laufen ständig Synchronisationen von Gmail, Press, Flick Notes, Evernote und weiteren Apps durch. Auch andere Apps, wie Falcon Pro, Wunderlist, Rio, WiMP und viele weitere nutze ich in dieser Zeit – gerne auch ausgiebig.

Fazit

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Stellt man die Pros gegen die Cons gegeneinander, wird schnell klar, dass es beim Optimus L9 um Kompromisse geht. Das Display ist für ein Gerät dieser Preisklasse z.B. echt toll. Des Weiteren bekommt man ein sauber funktionierendes Android, das Spaß macht. Dem gegenüber stehen die insgesamt höchstens mittelmäßige Kamera, die billig wirkende Verarbeitung und das wenig beeindruckende Design.

Ich persönlich muss aber sagen, dass ich durchaus bereit wäre, diese Kompromisse einzugehen. Im Bereich der Mittelklasse muss man eben einfach Kompromisse eingehen und ich denke, dass man beim L9 ein Gerät bekommt, bei dem die Kompromisse in Ordnung sind.

Nun hat aber das Google Nexus 4 den Markt quasi komplett durcheinander gebracht. Das kostet ähnlich viel und ist trotzdem ein High-End-Smartphone. Man könnte sich die Frage stellen, warum man sich ein L9 kaufen sollte, wenn es doch das Nexus 4 gibt. Ich persönlich beantworte die Frage wie folgt: Wenn man die Möglichkeit hat, ein Nexus 4 zu bekommen, sollte man zugreifen. Da das Nexus 4 aber keine allzu breite Verfügbarkeit hat, kann man auch ziemlich bedenkenlos zum L9 greifen, wenn man jetzt ein neues Gerät zum Preis von ca. 300 Euro haben möchte.


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