Mobiles Bezahlen mit der Netto-App und der Apple Watch ausprobiert

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Ein Netto Marken-Discount in der Kieler Innenstadt am Samstag Abend. Die Schlange an der Kasse voller ungeduldiger Menschen, die endlich nach Hause wollen. Ich lege meine Waren aufs Band. Ich bin nervös. Ich habe auch allen Grund dazu, denn ich habe weder Bargeld noch Karte dabei.

Was ich allerdings dabei habe ist ein iPhone, eine Apple Watch – und die Netto App. Netto Marken-Discount (ohne Hund) ist was Zahlarten angeht durchaus fortschrittlich. Mit der App kann man schon seit 2013 bezahlen, seit Juni 2015 kann man auch Kreditkarten nutzen. Ganz klar: Der Einzelhändler möchte dem Kunden so wenig Steine beim Bezahlen in den Weg legen, wie möglich.

Jetzt also Bezahlen mit der Apple Watch. Das Bezahlprinzip ist ziemlich einfach: Ich stehe an der Kasse, starte die App auf meiner Apple Watch und bekomme eine 4-stellige PIN angezeigt. Diese sage ich dem Kassierer/der Kassiererin und dann wird das Geld mir per Lastschrift abgezogen, so als hätte ich mit EC Karte bezahlt. Habe ich Waren gekauft, für die es gerade Coupons in der App gibt, wird mir der Couponrabatt sogar gleich abgezogen.

Ich stehe also an der Kasse, fummele an der Apple Watch, hoffe, dass in diesem Laden hier genug Empfang ist und erinnere mich, dass ich all mein Datenvolumen auf der IFA gelassen habe und den Rest des Monats gedrosselt surfe. In meinem Kopf sehe ich mich schon mit hochrotem Kopf die Sachen zurück ins Regal stellen während mich alle anderen Kunden still verurteilen.

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Netto beschreibt in der Pressemeldung das Mobile Payment als „praktisch, schnell umsetzbar und sicher“. Mindestens mal „schnell umsetzbar“ ist nicht unbedingt der Begriff, mit dem ich den Onboardingprozess bei der Netto App beschreiben würde. Ich lade die App herunter und melde mich mit meinen Daten (dazu gehört die Adresse, das Geburtsdatum, die Handynummer und die Kontodaten) an.

Die App sendet mir dann einen Freischaltcode per SMS, den ich in die App eintragen muss. Bei der Anmeldung wird übrigens eine Bonitätsprüfung durchgeführt. Nachdem der Freischaltcode eingegeben ist, bekomme ich eine Mail von der „Deutsche Post Zahlungsdienste“, die das eigentliche Payment abwickelt. In der Mail ist mein Lastschriftmandat, denn das Geld wird mir später per SEPA-Lastschrift abgezogen.

Einige Tage später kommt dann auch noch ein Brief der Deutsche Post Zahlungsdienste mit einer persönlichen ID, die ich am Telefon oder per Mail durchgeben soll. Kein Problem, aber wenn jetzt noch ein Fax kommt haben wir so ziemlich jeden Kommunikationsweg durch. Wiederum einige Tage später bekomme ich dann eine Überweisung über 1 Cent auf mein Konto und im Verwendungszweck steht Teil Zwei des Codes, den ich in die Netto App eintragen soll.

Fassen wir also zusammen:

  1. App runterladen, anmelden
  2. SMS bekommen, Code eingeben
  3. Brief bekommen, ID durchgeben
  4. Überweisung bekommen, Code eingeben
So richtig „schnell umsetzbar“ ist das nicht, zumal man für den ganzen Prozess nicht länger als 21 Tage brauchen darf, sonst muss man von vorne anfangen. 

„Schuld“ an diesem holprigen Prozess sind die deutschen Datenschutz- und Bankrichtlinien. Netto muss ja irgendwie prüfen, ob ich der bin, für den ich mich ausgebe und ob mein Handy und mein Konto auch mir gehören. Ganz klar, für Aluhutträger ist das ein Alptraum, aber die benutzen eh nur Bargeld. Trotzdem muss man sich bei dem Ganzen klar sein, dass die Bezahlung per Netto App damit einhergeht, dass ihr ziemlich genau geprüft werdet.

Vom Zeitpunkt der Installation der App bis ich alle Codes eingetragen hatte sind bei mir genau 14 Tage vergangen, die 21 Tage Limit sind also gut einzuhalten.

Gleich bin ich dran. Ob die Mitarbeiterin wohl geschult ist? Was, wenn die mich nur fragend ansieht, wenn ich ihr die PIN sage? Sie werden mich auslachen, hochkant rausschmeißen und ich bekomme Hausverbot. Toll gemacht. Warum musste ich verdammt nochmal zur Rush Hour herkommen und dann auch noch ohne Bargeld als Backup?!

Der große Moment. Ich tue ganz locker, aber ich fühle mich als würde ich das erste Mal einkaufen. Die Kassiererin nennt die Summe. Natürlich ist gerade in diesem Moment der Gültigkeitszeitraum der PIN abgelaufen – das Display wird schwarz. Ich bin geliefert.

Ich frage die Kassiererin „Wenn ich Ihnen jetzt so eine PIN nenne, wissen Sie dann was damit anzufangen?“ Super, gleich mal ihre Kompetenz in Frage gestellt. Die Kundin hinter mir bleibt cool, aber ich bin mir sicher sie hasst mich.

Die Kassiererin meint lapidar „Klar, mit Netto App. Dann sagen Sie mal.“ In der Zwischenzeit hat die App eine neue PIN nachgeladen. Ich sage ihr mit brüchiger Stimme die vier magischen Nummern. Die Kassiererin tippt. Dann rattert der Bon aus der Kasse und sie wünscht mir einen schönen Tag. Ich wünsche ihr meinerseits einen schönen Feierabend, verlasse den Kassenbereich mit meinen Waren für 4,23€, packe meinen Jutebeutel und fühle mich wie neu geboren.

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So holprig das mobile Bezahlen im Vorfeld ist, beim Kassieren könnte es nicht einfacher gehen. Jede PIN ist genau 5 Minuten gültig, ähnlich wie eine TAN bei der Bank oder bei 2-Faktor-Authentifizierung. Ist die PIN abgelaufen, wird sofort eine neue geladen und dabei werden so wenig Daten verwendet, dass ich auch im gedrosselten Zustand einwandfrei zahlen konnte. Wie das ganze aussieht, wenn es überhaupt kein Netz gibt, probiere ich lieber nicht aus. Ich gehe davon aus, dass man dann doch die Karte oder Bargeld zücken müsste.

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Blogger-Einkaufsbeutel (Symbolbild)

Noch während ich mein Essen eingepackt habe, kamen zwei Mails von Netto. Einmal ein Glückwunsch zu meiner ersten mobilen Zahlung und dann noch ein Bon als Mail. Den Bon kann ich mir später auch noch in der App ansehen.

Insgesamt ist der Bezahlvorgang mit der Netto App an der Apple Watch super bequem und geht schnell von der Hand.

Insgesamt ist der Bezahlvorgang mit der Netto App an der Apple Watch super bequem und geht schnell von der Hand. Zum Glück, denn wenn der Prozess auch noch da umständlich wäre, wo es drauf ankommt, wäre das sicher mein letzter Einkauf mit der Netto App gewesen. Ganz cool finde ich auch den automatischen Abzug der Coupons, auch wenn die Couponaktionen hauptsächlich für Markenartikel gelten, die ich eher selten kaufe.

Noch ein paar Worte zur Sicherheit: Man muss sich an der App entweder durch eine separate PIN, Touch ID oder eben durch die Apple Watch identifizieren. Die Apple Watch ist so eingestellt, dass sie sich automatisch mit dem iPhone entsperrt, so lange sie getragen wird. Wenn mir also jemand das iPhone und die Apple Watch klaut, kann er trotzdem nicht mein Geld bei Netto verbrennen. Außerdem gibt es ein Limit für Zahlungen mit der App. Bei mir sind das 250€ pro Woche.

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Man könnte jetzt noch anbringen, dass man durch das Entkoppeln von Bezahlvorgang und echtem Geldfluss ja die Übersicht über sein Geld verlieren könnte. Das ist aber beim normalen Lastschriftverfahren über die EC Karte genau so. Wer nicht mit Geld umgehen kann, sollte sich dann doch lieber ein Budget für die Woche in Bar in den Geldbeutel legen. Da sieht man genau, wann es leer ist.

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Alles in allem bin ich positiv überrascht von der Qualität der Netto App. Deutsche Unternehmen haben sich in der Vergangenheit beim Thema Payment nicht gerade mit Ruhm bekleckert, aber sieht man vom langwierigen Registrierungsprozess ab, geht das Bezahlen mit der Netto App und vor allem mit der Apple Watch einfach genug, dass ich es tatsächlich regelmäßig benutzen könnte.

Leider muss ich persönlich ein ganzes Stück zu meinem nächsten Netto laufen, daher wird das Bezahlen per App für mich erstmal die Ausnahme bleiben. Wenn man aber eh täglich bei Netto kauft, kann man mit der Netto App die Geldbörse in Zukunft gerne mal zu Hause lassen.

Was sagt ihr? Bezahlen mit der Apple Watch – schöne neue Welt oder die Umstände nicht wert?

Die Apple Watch wurde uns für die Dauer des Tests von Netto zur Verfügung gestellt. Danke dafür!


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