Nokia Lumia 620 Testbericht

Kleinere bzw. kompaktere Smartphones mit eindrucksvollen Spezifikationen – eine Geräteklasse, die so fast durchgängig nicht existiert, obwohl sich viele Nutzer genau das wünschen. Fast alles, was sich auf den Spec-Sheets gut liest, kommt in Größenregionen jenseits der 4,3’’ Display-Diagonale daher. Nun stellt sich mir persönlich die Frage, ob das überhaupt nötig ist. “Genügen” kleinere Geräte mit weniger beeindruckenden technischen Daten nicht eigentlich doch?

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Mit dem Lumia 620 versucht Nokia, genau dies zu beweisen: Ein kleines und erschwingliches Smartphone mit entsprechend kleinerer Hardware, bei dem es trotzdem an nichts Essentiellem fehlen soll. Gelingt das Vorhaben? Eignet es sich als Alltagsgerät, das Spaß macht und das Gefühl eines vollständigen Smartphones vermittelt? Nach unserem ersten Eindruck vom Nokia-Blogger-Event gibt es hier nun den vollständigen Testbericht.

Lieferumfang und Spezifikationen

Wie gesagt: Das Datenblatt liest sich recht bodenständig. Das Display ist 3,8’’ klein, die Auflösung beträgt 480 x 800 Pixel, eine Kamera mit 5 Megapixeln und 512 MB RAM, sowie acht GB interner Speicher werden hier verbaut. Für ein Gerät dieser Preisklasse ist das allerdings vollkommen in Ordnung. Die detaillierten Spezifikationen sind folgende:

  • Snapdragon S4 Krait 1 Ghz Dual-Core CPU
  • 3,8’’ ClearBlack TFT-Display mit 480 x 800 Pixel (246 ppi)
  • 512 MB RAM
  • 8 GB interner Speicher (durch Micro-SD-Katen um max. 64 GB erweiterbar)
  • 5 MP Kamera
  • Maße: 115,4 x 61,1 x 11 mm
  • Gewicht: 127 Gramm

Der Lieferumfang entspricht (wie fast immer) dem heutigen Standard: Neben dem Lumia 620 liegt noch die Kurzanleitung, die Kopfhörer, das Micro-USB-Kabel und der Netzstecker in der Packung bei. Ich muss übrigens auch mal loswerden, dass ich die Verpackungen der Lumia-Smartphones klasse finde. Die raue Pappe gefällt mir einfach seit eh und je und wirkt darüber hinaus auch widerstandsfähiger, als die Verpackung manch anderer Hersteller, aber das sei nur nebenbei erwähnt.

Hardware und Design

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Bei der Hardware eines Gerätes der gehobenen Einsteigerklasse darf man eigentlich keine Wunder erwarten – irgendwo muss der Preis ja schließlich herkommen. Trotzdem fühlt sich das Lumia 620 vergleichsweise wertig an. Smartphones, die teilweise auch kostspieliger in der Anschaffung sind, können da nicht wirklich mithalten. Natürlich fühlt sich das Gerät nicht so wertig an, wie das Lumia 820 und es reicht auch erst nicht an das Lumia 920 heran, aber das muss es auch gar nicht. Die Kunststoff-Hülle fasst sich gut an, die Buttons haben einen sehr guten Druckpunkt und sitzen fest am Gerät – insgesamt ein grundsolides Gerät.

Durch die kompakten Maße und die runde Form liegt es auch sehr gut in der Hand und fühlt sich generell sehr handlich an. Die Nutzung mit einer Hand stellt hier keine Probleme dar und für jemanden wie mich, der üblicherweise ausschließlich Geräte jenseits der 4,5“ nutzt, sind die 3,8“ des Lumia 620 eine nette Abwechslung.

Das Design des Gerätes ist ebenfalls gelungen. Es ist keinesfalls das dünnste Smartphone und ist auch lange nicht nah an dieser Marke dran, jedoch ist das nicht schlimm – ich persönlich mag das der Handlichkeit wegen sogar. Ein Umstand, den ich von anderen Lumia-Smartphones gewohnt bin und hier streckenweise etwas vermisse, ist das gebogene Display – allen voran in der Ausführung des Lumia 800. Das war dieses Mal wohl einfach nicht drin, ist aber auch verschmerzbar.

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Ein besonderer Aspekt beim Lumia 620 sind natürlich auch die wechselbaren Rückdeckel. Im Vergleich zum Lumia 820, welches das gleiche Feature bietet, ist das Wechseln der Rückseite beim 620 allerdings um einiges einfacher gelöst bzw. einfacher durchführbar. Ich hatte für den Test die weiße und orangene Rückseite. Erstere ist matt lackiert und die Zweite in einem Glossy-Look gehalten. Mir persönlich sagen hier beide Varianten zu. Nokia schafft es bei den Lumia-Geräten durchgängig, dass sich auch Glossy wertig anfühlt. Mein geheimer Favorit ist hier übrigens die grüne Glossy-Rückseite.

Display

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Das TFT-Display des Lumia 620 ist überraschend gut ausgefallen. Der Schwarzwert ist hier nicht perfekt – dafür ist die Schärfe insgesamt gut und Farben wirken weitgehend natürlich, stellenweise aber auch etwas ausgewaschen. Die fehlende HD-Auflösung stört bei dieser Konstellation überhaupt nicht: WVGA wirkt auf 3,8“ immer noch ausreichend scharf.

Beim Lesen von Texten sind mir generell keine unangenehmen Treppeneffekte bei der Schrift aufgefallen. Auch gestaltet sich das Lesen generell ganz angenehm, was mich persönlich ein wenig überrascht hat. Ich hätte eigentlich angenommen, dass das TFT-Display ein Schwachpunkt des Gerätes darstellen würde. Letzten Endes ist mir dieser Umstand in der täglichen Nutzung aber überhaupt nicht aufgefallen. Hier leistet Nokias ClearBlack-Technologie ganze Arbeit.

Insgesamt ist das Display für ein Gerät dieser Preisklasse also sogar vergleichsweise gut ausgefallen. Im Rahmen der Möglichkeiten hat Nokia hier das momentane Optimum herausholen können, sodass das Display nicht als Schwachpunkt auffällt. Eine besondere Stärke ist aber trotzdem nicht: Viel mehr würde ich das Display als „in Ordnung“ einstufen, da einfach keine besonderen Schwächen auffallen.

Software und Performance

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Das Nokia Lumia 620 kommt bekanntlich mit Windows Phone 8. Das System als solches dürfte inzwischen hinlänglich bekannt sein, deswegen will ich eher darauf eingehen, wie das Betriebssystem mit dem Gerät an sich harmoniert. Diesbezüglich kann ich durchweg positives vermelden, denn Windows Phone schnurrt auf dem Lumia 620 geradezu. Die komplette Bedienung läuft durchweg flüssig vonstatten und ich musste während des Tests keine Hänger (z.B. beim Scrollen) in Kauf nehmen.

Gerade das ist auch die Stärke von Windows Phone, welches dafür bekannt ist, dass es in Sachen Hardware vergleichsweise genügsam ist. Ich bin davon überzeugt, dass es bei anderen Betriebssystemen bei der hier verbauten Technik zu Schwierigkeiten kommen würde. Windows Phone 8 schafft es, das zu vermeiden.

Ebenfalls ausgezeichnet ist die Software-Tastatur. Man mag meinen, dass schnelles und fehlerfreies Tippen auf kleineren Displays schwieriger wird, zumal Erleichterungen wie Swype nicht verfügbar sind – hier jedoch trifft es schlicht nicht zu. Microsoft hat mit der Tastatur einen exzellenten Job gemacht! Die automatischen Korrekturen funktionieren klasse und das Design der Tastatur vereinfacht das Treffen der einzelnen Tasten ungemein. Auch nach zweieinhalb Jahren, die Windows Phone nun existiert, bin ich von dieser Tastatur immer noch beeindruckt und halte sie für die beste Hersteller-Tastatur auf dem Markt.

Eine essentielle Bereicherung des Systems stellen auch beim Lumia 620 die Nokia-Apps dar. Über die Karten- und Navigations-Apps muss ich hier sicherlich keine Worte verlieren, denn deren Klasse ist allgemein bekannt. Darüber hinaus beeindruckt mich City Lens sehr. Hier startet man die App, wählt aus, was man gerade suchen möchte (Lokalitäten, Sehenswürdigkeiten, Hotels etc.), damit anschließend die Kamera geöffnet wird, auf der dann entsprechende Ergebnisse angezeigt werden. Schaut man sich um, kommen weitere Ergebnisse zum Vorschein. Diese Art der Location-Discovery macht unglaublich viel Sinn und ist für mich der nächste Schritt in diesen Gefilden, sodass ich mich frage, warum noch kein anderer Entwickler auf diese Idee gekommen ist.

Man muss allerdings trotzdem sagen, dass es auch hier ein paar Dinge zu beachten gibt. Dadurch, dass lediglich 512 MB RAM verbaut wurden, kommt es beispielsweise im Internet Explorer dazu, dass dieser ab ca. drei bis vier Tabs Speicherschwierigkeiten bekommt. Wechselt man dann auf einen bereits geöffneten Tab zurück, wird die jeweilige Seite komplett neu geladen.

Ein anderer Punkt, den es zu beachten gilt, ist die App-Situation. Microsoft bekräftigt nach wie vor die Aussage, dass Windows Phone kein App-Problem hat, was aber so einfach nicht stimmt. Sicherlich sind viele bekannte Apps auch hier mittlerweile verfügbar und für andere gibt es (teilweise ausgezeichnete) Alternativen – genauso sehr gibt es aber auch Anwendungen, die nicht verfügbar sind und weitgehend alternativlos sind. Das offensichtlichste Beispiel ist schlichtweg Instagram. Sicherlich kann man Fotos auch auf andere Arten und Weisen teilen und mit EyeEm ist auch ein direkter Konkurrent auf der Plattform vertreten – trotzdem fehlt hier im Speziellen der soziale Faktor mit den 100 Millionen Nutzern, den Instagram vorweisen kann. Auf den ersten Blick mag eine solche Situation vernachlässigbar wirken, allerdings sind Apps, wie eben Instagram, inzwischen für viele Nutzer Teil der Standard-Ausrüstung.

Ein weiterer Punkt, den ich weiterhin betonen muss, ist die Gmail-Integration. Wer Googles E-Mail-Dienst als Power-User nutzt und daher auf viele der speziellen Funktionen zurückgreift, wird dahingehend mit Windows Phone nicht glücklich. Das wird sich auch in Zukunft aller Wahrscheinlichkeit nach nicht ändern, da Google keinerlei Unterstützung für Windows Phone vorsieht, was schade ist.

Kamera

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Die Kamera ist so ziemlich der offensichtlichste Aspekt, an dem man merkt, dass man es hier mit einem Gerät der gehobenen Einsteigerklasse zu tun hat. Bei ausreichender Beleuchtung gelingen noch recht ordentliche Fotos, die auch ausreichend scharf sind. Allerdings nimmt die Bildqualität praktisch sofort ab, sobald die Beleuchtung nicht mehr ideal ist. Dann hat man es mit Artefaktbildung, auffälligen Farbstufen und reichlich Unschärfe zu tun zu tun. Auch die Ausleuchtung der Szene ist dann nicht mehr ausreichend.

Dieses Defizit ist einmal mehr dem Preis geschuldet und daher auch nachvollziehbar. Ich persönlich habe es zumindest nicht anders erwartet, weswegen ich es bei diesem Gerät verschmerzbar finde. Irgendwo musste Nokia eben auch echte Kompromisse eingehen bei diesem Smartphone.

Sonstiges

Die Akkulaufzeit war während meines Tests durchgehend sehr positiv. Ohne Probleme konnte ich das Gerät zwei Tage am Stück benutzen, bevor es wieder ans Ladekabel musste, wofür definitiv auch die „schwächere“ Hardware mitverantwortlich ist.

Ich muss leider erwähnen, dass ich beinahe regelmäßig Probleme mit dem Windows Phone Store hatte. Neue Apps und Updates konnte ich dann einfach nicht herunterladen. Frühestens der nächste Versuch war hier erst hilfreich, was auf Dauer nervt. Dass Microsoft immer mal wieder Probleme mit der Stabilität des Stores hat, ist bekannt – diese kurzen und regelmäßigeren Ausfälle habe ich in dieser Regelmäßigkeit zuvor allerdings bei keinem anderen Windows-Phone-Gerät feststellen müssen.

Telefonie ist mit dem Lumia 620 kein Problem. Die Tonqualität meiner Gesprächspartner war ausgezeichnet und auf Nachfrage bestätigte man mir auch, dass man mich sehr klar und deutlich verstehen würde, was leider heutzutage immer noch nicht bei jedem Gerät der Fall ist.

Fazit

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Insgesamt bin ich vom Nokia Lumia 620 angenehm überrascht. Die Performance im Alltag ist nah an den Top-Geräten mit Windows Phone 8 dran – man fühlt sich hier bei der Benutzung des Gerätes und der Apps auf keinen Fall beschnitten. Darüber hinaus ist das Smartphone als solches absolut solide und fühlt sich auch widerstandsfähig an.

Sicherlich gibt es ein paar Probleme, welche vor allem die Kamera, App-Verfügbarkeit und in tieferen System-Gefilden auch das Verhalten von Apps, die durch die Gegebenheiten beeinflusst werden (siehe Browser-Cache), betreffen. Alles in allem sind das aber durch die Bank Defizite, mit denen ich in dieser Geräteklasse leben kann.

Worauf es hier ankommt, ist schlicht das Preis-/Leistungsverhältnis und das ist beim Lumia 620 auch der Hauptaspekt: Wer ein kleines Gerät zum vergleichsweise günstigen Preis will, sollte Windows Phone 8 (und damit auch das Lumia 620) zumindest in die engere Wahl nehmen. Das Gerät funktioniert einfach, macht Spaß und fühlt sich flüssig an. Ich bin der persönlichen Überzeugung, dass z.B. Android-Smartphones bei dieser Hardware-Ausstattung teilweise spürbare Probleme bekommen würden – speziell beim Lumia 620 ist das so gut wie nicht der Fall.

Für aktuell ca. 240 Euro ist dieses Smartphone wirklich empfehlenswert und ich bin inzwischen auch dazu übergegangen, den Leuten ein solches Smartphone zu empfehlen, wenn diese nach günstigen und kleinen Geräten fragen und offen für Windows Phone sind. Das Gesamtpaket stimmt einfach und das Lumia 620 macht wirklich eine Menge Spaß.


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