Testbericht: Symbian^3-Smartphone Nokia N8

Ihr habt bestimmt in den letzten Tagen bereits einige Testberichte zum Nokia N8 gelesen, ich habe mir aber bewusst Zeit gelassen, weil ich keine voreiligen Schlüsse ziehen und mich intensiv mit dem gesamten System beschäftigen wollte. Ein voreiliges Fazit hat kein Leser bzw. Interessent verdient, denn wer sich das Gerät kauft, wird es wohl auch länger als drei Tage nutzen wollen.

Der erste Eindruck

Der erste Eindruck war der Knaller. Auch wenn es in folgendem Unboxing-Video nicht so rüberkommen sollte, bei genauer Betrachtung ist das Teil einfach edel. Es liegt prima in der Hand und die Materialien gefallen. Mich persönlich stört zwar etwas die herausstehende Kamera, aber das ist sicher Geschmackssache. Mir kommt es in erster Linie auf die Verarbeitung an und die ist erste Sahne.

Ich werde euch jetzt nicht mit technischen Daten langweilen, denn die könnt Ihr auch direkt bei Nokia nachlesen. Die CPU ist etwas schwach, die Auflösung des Displays etwas niedrig, so etwas hat man jetzt schon des Öfteren gehört und ich würde mal ganz grob sagen, vernachlässigt diesen Punkt. Die Hardware ist im Großen udn Ganzen ausreichend und wer wirklich mehr auf die reinen Spezifikation schaut, der ist beim N8 so oder so falsch.

Hardware

Das bereit erwähnte Display ist ausreichend leuchtstark, alle Tasten sitzen fest, lassen sich gut bedienen und haben einen komfortablen Druckpunkt. Meines Erachtens fühlt sich das Display nicht ganz so glatt an, wie das vom HTC Desire, daher gleitet der Finger weniger seicht, dies ist aber rein subjektiv.

Der Klinke-Anschluss, sowie der Power-Button ist oben angebacht und unten ist eigentlich nur das Mikro, die Ladebuchse und eine kleine Aussparung für eine Trageschlaufe. Was mir rein gar nicht gefällt, ist die HDMI-Abdeckung, welche eigentlich nie so wirklich 100%ig abschließt und die fehlende Möglichkeit, den Akku zu wechseln. Auf die Kamera gehe ich später noch im Detail ein.

Browser und Internet

Für mich die wichtigste Sache an einem Smartphone, neben den Apps, ist der Browser bzw. die Internetfunktionen. Sicher kann man sich alternative Browser installieren, aber bei einem Gerät mit einer UVP von 480 Euro, das so lange gebraucht hat, um beim Kunden anzukommen, darf man eigentlich einiges in der Hinsicht erwarten. Leider wird man enttäuscht. Zwar ist der Browser nicht schlecht, aber von flüssig und unkompliziert weit entfernt. Es dauert alles ein bisschen länger und erfordert alles ein paar mehr Klicks, was im Alltag tierisch nervt. Zum Glück ist bereit angekündigt, dass der Browser ein Update erhalten soll.

In folgendem Video seht Ihr einen Vergleich zwischen dem Browser vom HTC Desire und den vom Nokia N8.

Symbian^3

So sehr ich die Hardware gelobt habe, so sehrt muss ich das „neue“ Symbian^3 an manchen Stellen kritisieren. Dem Nutzer wird ohne Frage das beste Symbian geboten, welches es je gab. Nur ist das im Vergleich zu den Vorgängerversionen nicht gerade schwer. Die groß angekündigte Runderneuerung findet sich definitiv nicht. Es wurde zwar an vielen Ecken geschraubt und auch einige Details verbessert, steigt man aber tiefer in das System ein und nutzt es täglich, fragt man sich jeden Tag ein bisschen mehr „Warum Symbian?„.

Wer vorher bereits ein Symbian-Smartphone hatte, wird sich zwar vorkommen wie im Wunderland, wer Android oder iOS gewohnt ist und deren Arbeitsgeschwindigkeit zu schätzen weiß, fühlt sich um ein paar Jahre zurückversetzt.

Die Funktionen sind ohne Frage überwältigend, was man mit Symbian alles machen kann ist schon Hammer, nur leider macht das, was man jeden Tag sehr oft benötigt kaum Freude. Da hilft jedgliches technisches Schmankerl nicht, da wiederkehrende Aufgaben einfach nerven. Aber der Reihe nach.

Der Homescreen

Der Homescreen ist aufgeräumt und besteht aus drei Feldern, welche beliebig mit Widgets belegt werden können. Leider ist die Auswahl der Widgets nicht ganz so groß, wie bei Android, dennoch bieten die vorhandenen nützliche Informationen an. Durch wischen gelangt man zum jeweils nächsten Homescreen und das in einer Endlosschleife, man muss also nicht wieder zurückwischen, wenn man zum ersten Screen will.

Über ein Menü kann man die Homescreens bearbeiten. Es können Widgets entfernt, verschoben oder hinzugefügt werden. Das ist gut gelöst.

Programmmenü

Das Programmmenü ist eine Klasse für sich. Funktional ist es, es muss ja auch nicht viel mehr als Verknüpfungen zu Programmen liefern, aber rein subjektiv gefällt mir die Optik nicht. Die Symbole wirken irgendwie altbacken und auch das Scrollen fühlt sich unnatürlich an. Der Bounce-Effekt wirkt aufgesetzt und hängt sich irgendwie an das normale Scrollverhalten einfach hinten dran.

Die vorinstallieren Apps sind recht umfangreich. So findet sich neben den typischen Nokia Anwendungen auch einige Office-Apps wie eine Textverarbeitung, ein PDF-Betrachter und mehr, wie auf den folgenden Screens zu sehen ist.

Nachrichten und E-Mail & Kalender

Die Nachrichten-Funktion ist ganz gut gelöst. Wer heutzutage noch SMS schreibt findet diese übersichtlich angeordnet. Alles lässt sich schnell aufrufen und reagiert gut. Mittels Tabs kann man zwischen Posteingang und -Ausgang wechseln. Durch Schaltflächen lassen sich Dateien wie Videos, Bilder oder Musik an die Nachricht hängen, so, dass diese zur MMS wird.

E-Mail-Konten kann man über den Unterpunkt Programm > Mail anlegen. Alle bekannten Anbieter sind bereits vorhanden und man muss nur noch seine Zugangsdaten eingeben. Testweise habe ich meinen Googlemail-Account genutzt, was auch problemlos funktioniert hat.

Kleiner Nachteil, um auch alle Termine und Kontakte aus einem Google-Konto mit dem Nokia N8 abzugleichen, muss man sich mit den Google-Zugangsdaten einen Exchange-Account einrichten. Auch das hat funktioniert, ging aber beim Nokia C6 auch schon.

Der Kalender ist zwar übersichtlich gestaltet, lässt sich aber nur mühsam per Finger bedienen. Zwar kann man durch wischen die Woche oder den Monat wechseln, durch fehlende Übergänge bzw. Animationen, ist man aber oftmals verwirrt, weil sich nur das Datum ändert. Zudem reagiert das Wischen auch mehr schlecht als recht und das Scrollen im Kalenderfeld ist gar nicht möglich, sondern nur über den Scrollbalken realisierbar.

Wer seine Termine am Computer eingibt und bearbeitet, der wird damit zufrieden sein, für die mobile Nutzung ist der Kalender meines Erachtens wenig geeignet.

Taskmanager

Die wohl nervigste und größte Umstellung im Gegensatz zu Android ist der Taskmanager. Programme bleiben so lange offen,  bis ich diese manuell schließe. Zwar wurde der Weg zum Taskmanager vereinfacht und auch die Optik fingerfreundlich gestalltet, aber wer hat bitteschön Lust, seine benutzten Programme einzeln und manuell wieder zu schließen? Ich jedenfalls nicht.

Medien

Die Medienverwaltung ist übersichtlich und unterteil sich in Fotos, Videos und Musik. Alle Vorschaubilder werden schnell geladen, sowie geöffnet und passen sich per Beschleunigungssensor der Bildschirmausrichtung an. Unschön ist der hackelige Zoom. Bei Fotos, mit der Zoomwippe noch ertragbar, aber mit Pinch-to-Zoom alles andere als flüssig.

Der Sound ist wirklich gut und auch das mitgelieferte In-Ear-Headset kann überzeugen. Bei tiefen Bässen fängt der interne Lautsprecher allerdings etwas an zu kratzen. Das ist okay und mehr würde ich von einem Handy auch nicht erwarten. Ich persönlich nutze ein Telefon eh nicht zum Musik hören.

OVI Karten & GPS

Klingt geil, ist es aber nicht. Eine vollständige Offline-Navigation ist super und ein Alleinstellungsmerkmal von Nokia, wer aber bereits ein Navi hat, wird sich wünschen, er würde eine anständige Version von Google Maps vorinstalliert haben.

Die Karten sehen altbacken aus, bedienen sich ruckelig und Pinch-to-Zoom gibt es nicht [Update: Es kursiert eine Beta-Version mit Pinch-to-Zoom, welche man manuell installieren kann]. Auch hier fällt wieder auf, dass OVI Karten anders ausschaut als die OVI Store App und diese wiederum anders ausschauen als der Rest des Systems. Dadurch wirkt alles etwas zusammengeschustert bzw. man merkt, was nachträglich hinzugefügt wurde.

Einen Pluspunkt gibt es für den GPS-Chip, dieser findet immer schnell den eigenen Standort und verliert diesen nur sehr selten.

Ovi Store

Das Herzstück eines Smartphones, der Marktplatz für Anwendungen. Nach dem Rest des System hätte ich weniger vom OVI Store erwartet, als er mir geboten hat. Also im Großen und Ganzen ist er gut umgesetzt. Nach dem ersten Start wird erstmal der aktuelle Store-Client heruntergeladen. Dies zeigt, dass der OVI Store nicht gerade fest mit dem System verzahnt ist. Bie welchem Smartphone muss ich mir erstmal den Store laden, bevor ich eine App laden kann? Vorteil daran, man hat immer die aktuellste Softwareversion des Store, wenn man das wirklich braucht.

Übersichtlich ist er und bietet alle Funktionen, welche man bereits von anderen System kennt. Neueste Apps, Kategorien und eine Suche. Etwas bescheiden ist, dass man viele ältere Symbian-Apps gar nicht findet, obwohl diese problemlos auf dem N8 laufen würden. Ein OVI-Konto ist für die Nutzung zwingend erforderlich.

Einstellungen

Die Einstellungen sind so eine Sache für sich, je mehr man dem Nutzer abnimmt, umso beschränkter ist dieser, was man beim iPhone ganz gut sehen kann. Auf der anderen Seite muss man sich fragen, ob man mit zig Unterpunkten und technischen Fachbegriffen nicht den ein oder anderen User verschreckt. Etwas fummelig ist es schon, immer den passenden Menüpunkt zu finden, dies würde ich aber als Übungssache ansehen und da man zum Glück nicht tagtäglich etwas einstellen muss, ist dies nicht all zu schlimm.

Kamera und HDMI

Jedes mal, wenn jemand über das Nokia N8 schlecht redet, kommt ein anderer mit der Kamera-und-HDMI-Keule. Es hat ne 12 Megapixel Kamera mit echtem Xenon-Blitz und nen HDMI-Anschluss, welches Smartphone hat das schon? Nicht viele das stimmt, aber mal anders gefragt, wer nutzt das tagtäglich. Für mich ist ein Smartphone in erster Linie Internetdevice, surfen, mailen, twittern, in Kontakt bleiben. Ich kann mir zwar vorstellen, dass für viele die Kamera nicht unwichtig ist, denn das Handy hat man immer dabei und es ist schnell gezückt, für mich ist sie es aber.

Die Kamera ist gut. Nicht überragend aber gut, lässt sich mit einer Mittelklasse-Kompaktkamera vergleichen. Die Bilder sind bei Tageslicht astrein, im Dunkeln trotz des 1/1,8 Zoll-Sensors aber auch mies. Der Blitz übersteuert manchmal etwas, das Vorlicht und der Autofokus sind aber immer schnell und präzise. Die Kamerasoftware wird der Hardware nicht ganz gerecht. Schnappschüsse sind auch ehr schwierig, weil schon mal gute drei Sekunden vergehen können, bis man ein Foto schießen kann.

Wer in Besitz einer guten Kamera ist, der wird über die Bilder nur lächeln können, Videos hingegen hat das N8 gut drauf. In einfachem HD, also mit 720p-Auflösung, werden diese aufgenommen. Leider mit nur 25 Frames pro Sekunde. Mit einem inoffiziellem Hack soll sich aber sowohl Framerate, als auch Bildqualität der Kamera deutlich erhöhen lassen.

Update

Auch den HDMI-Anschluss habe ich natürlich getestet. Auch dieser ist nett, aber haut keinen vom Hocker. Meine Freundin meinte nur: „Schön, aber wozu brauchen wir das?„. Um das Gerät anderen zu präsentieren sicher ganz okay, aber ich werde mein Smartphone werder als Medienplayer, noch als Spielekonsole an meinen LCD-TV hängen. Dann doch lieber Medienwiedergabe per DLNA, denn das wird der Standard der Zukunft sein und benötigt keinerlei Kabel.

Handy und Computer

An einem Windows 7-Computer ist das Nokia N8 ein Traum. Man muss nichts installieren oder konfigurieren. Einstecken und loslegen. Das Handy wird automatisch erkannt und ist dann bequem über den Arbeitsplatz zugänglich. Die optimierte Oberfläche hilft dabei. So muss das sein.

Und sonst noch?

Es gibt natürlich viele Details, welche ich jetzt nicht angesprochen habe. Ich teste ein Gerät in erster Linie nach mir wichtigen Punkten, daher hier noch ein paar weitere Infos zusammengefasst.

  • Die Telefonqualität ist astrein, man versteht sein Gegenüber und auch die Gegenseite kann sich nicht beklagen
  • Man lädt das N8 über einen Nokia-eigenen Ladeanschluss und optional über microUSB
  • Es verfügt über einen Lagesensor, Kompass, Abstandssensor und Umgebungslichtsensor
  • Die Tastatur ist unterste Schiene und lässt sich nur sehr bescheiden bedienen, im Gegensatz zu anderen Systemen sind das Welten
  • Das Gerät besteht das komplett aus Aluminium und ist in fünf Farben verfügbar
  • Unterstützte Musik-Formate: MP3, WMA, AAC, eAAC, eAAC+, AMR-NB, AMR-WB und Video-Klingeltöne
  • Es verfügt über einen FM Transmitter um Musik auf ein normales Radio zu bringen
  • Der interne Speicher ist 16GB groß
  • Es verfügt über ein UKW-Stereo-Radio
  • Es verfügt über einen Grafikprozessor mit Unterstützung für OpenGL 2.0
  • Der Akku hält bei intensiver Nutzung ca. 1,5 Tage, bei normaler Nutzung 2-3 Tage. Ist also vollkommen ausreichend
  • Eure Fragen in den Kommentaren…
Update

Fazit

Das Fazit fällt mir nicht leicht. Wie eingangs bereits erwähnt, habe ich mir wirklich Zeit mit dem Gerät genommen. Am Anfang gab es Punkte, welche sofort genervt haben und andere, welche man gleich super fand, zudem weitere, bei denen man den Willen hatte, sich daran zu gewöhnen. Leider klappt das nicht so, wie man es sich vorstellt. Es ist traurig aber wahr, das Betriebssystem bricht diesem Hardware-Goldstück den Nacken. Anstatt sich an Defizite zu gewöhnen, nerven diese von Tag zu Tag mehr. Man muss immer häufer warten, vertippt sich des Öfteren, weil das System mal wieder eine Denkpause einlegt und fühlt sich durch die nicht einheitliche und verschachtelte Oberfläche einfach wenig gut aufgehoben.

Bisherige Symbian-Smartphones habe ich für unkomfortabel erachtet, das Nokia N8 macht da bereits vieles besser, kann aber einfach nicht mit der Geschwindigkeit, dem Komfort, den Animationen, einfach dem gesamten Konzept aktueller Smartphones der Konkurrenz mithalten.

Ich hätte Nokia und seinen Kunden wirklich gewünscht, dass sie mit dem N8 etwas Großes schaffen würden. Etwas, das die Peinlichkeiten des N97 ausgleicht, aber sie haben es auf deutsch gesagt vergeigt. Wer auf alle beworbenden Top-Funktionen wie Kamera, HDMI und großen Speicher sehr großen Wert legt und bereit ist, viel Zeit zu investieren, findet derzeit wohl keine bessere Alternative. Wer seinen Fokus allerdings allumfassender einstellt und auf ein gutes Gesamtpaket inklusive überzeugender Internetfunktionen, sowie ein flüssiges System steht, der sollte Abstand nehmen. Ganz weit Abstand.


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