Warum Apple „anders“ und nicht „besser“ ist

Gastbeitrag

Vor einiger Zeit hat Maximilian O. einen Artikel über die Stärken von Apple verfasst, der viel Aufsehen erregte. Der Artikel sollte zwar seine Meinung widerspiegeln, stellte aber mehr Fragen, als er solche beantwortete. Der Mist, den man teilweise in den Kommentaren zu lesen bekam, riecht heute noch. Deswegen habe ich mir vorgenommen, die Situation aus der Sicht eines (werdenden) Managers zu schildern. Diesen Artikel kann man sowohl als Antwort auf den Beitrag von Max, als auch als einen kurzen eigenständigen Entwurf des Unternehmens Apple aus Sicht eines BWLers. Damit versuche ich zu zeigen, warum Apple nicht besser, sondern anders ist.

Vorwort

Bevor wir zum eigentlichen Teil übergehen, müssen einige Irrglauben geklärt werden.
Was ist Marketing? Obwohl der Begriff „Marketing“ sehr viele Facetten und Erklärungen hat: Werbung ist keine davon. Denn die Werbung ist ein Bruchteil eines Bruchteils des Marketings – sie ist ein Teil der Kommunikationspolitik. Und die ist unter Distributionspolitik, Preispolitik und Produktpolitik eine der vier Politiken des traditionellen Marketing-Mixes.

Was man auf jeden Fall behalten muss: Spricht man von Marketing, so redet man überwiegend über den Komplex der oben genannten Punkte, die zusammen in einem großen Unternehmen für die Vermarktung und oft auch für die Gestaltung des Produktes verantwortlich sind. Je nach Organisationstyp des jeweiligen Unternehmens kann es ganze Produktgestaltungsabteilungen geben, oder man fügt einen Marketeer in ein Entwicklungsteam-Team hinzu.

Wie fängt ein Entwicklungsprozess an und auf welche Faktoren wird geachtet? Nun, es gibt tausende Theorien und Modelle, von denen sogar nur die wichtigsten den Rahmen des Artikels sprengen würden. Aber es gibt nur 2 grundsätzliche Orientierungen, die in der Betriebswirtschaft verbreitet sind. Zum einen ist es das Inside-Out-Prinzip (Resource-based view), und zum anderen das Outside-In-Prinzip (Market-based view).

Wie es auch aus den Namen herauszulesen ist, geht es im Wesentlichen darum, ob das Unternehmen zuerst auf den Markt und seine Bedürfnisse guckt und eigene Ressourcen danach umstellt/modifiziert oder eben auf eigene Kernkompetenzen, die sich aus vorhanden Unternehmensressourcen zusammenfügen. Dabei muss man verstehen, dass man unter Ressourcen nicht nur die vorhandene Rohstoffe oder Maschinen versteht, sondern viel mehr das Humankapital – Menschen hinter den Kulissen.

In der jüngsten Zeit gibt es kaum noch ein Unternehmen, das ausschließlich einem Weg nachgeht und z.B. stumm Marktbedürfnisse befriedigt. Die meisten Unternehmen versuchen einen Spagat zu schlagen, dennoch erkennt man ein an dem einen oder anderen Unternehmen, ob die eine oder die andere Orientierung vorrangig ist. Die polarisierenden Beispiele wären Apple und Samsung.

Produkte

Einerseits kann man behaupten, dass Apple nie richtig innovativ gewesen wäre und fast alle Entwicklungen auf den Ideen der anderen beruhen. An dieser Stelle werden üblicherweise Geräte wie der iPod, das iPhone, das iPad oder auch der iMac genannt, mithilfe deren Apple zur Spitze der Forbes-Liste kletterte. „Es gab ja auch zuvor mp3-Player, Touchscreen-Smartphones, Tablets und PCs“ – allerdings lassen Diskutierende immer einen Punkt entgehen, den alle diese Geräte aufweisen: Jedes Gerät aus dieser Reihe bietet konzeptuell andere Arten der Nutzung. Schielst Du gerade skeptisch auf Deinen Bildschirm? Lass uns die Aussage unter Beweis stellen.

Der Unterschied. Fühl ihn.

  • iPod – Der erste Musik-Player mit riesigem Speicher in kleinem Formfaktor. Auch zuvor konnte man Musik unterwegs hören, aber man konnte eben nicht die ganze Musiksammlung in eine Jeans-Tasche stecken (worauf Steve Jobs bei der Präsentation einen besonders großen Wert gelegt hat). Der andere Aspekt ist die eingesetzte Software: iTunes. Diese brachte die lang angestrebte Einfachheit in digitale Musik und bekämpfte das Übel namens Napster, der damals als Inbegriff der Piraterie stand.
  • iMac – Der erste All-in-One Computer. Während die meisten Home-PCs dieser Zeit grau und hässlich aussahen und zudem ständige Pflege voraussetzten, war der iMac klein (gar handlich: erstes Modell hatte einen Griff zum Transportieren) und einfach in der Bedienung. Es ist der erste PC, der für Kinder und Hausfrauen bestens taugte. Neue Erfahrung bringen: Check!
  • iPhone – das erste Handy mit wirklich optimaler Fingereingabe, ’nuff said.
  • iPad – das erste Tablet-PC neuer Art. Ob es in erster Linie eine extreme Vereinfachung des alten Konzeptes oder die größere Variante des iPod Touch war, lässt sich diskutieren. Eins bleibt aber sicher: Das iPad brachte sowohl Mobile-Entertainment, als auch Mobile-Enterprise auf ein neues Niveau: Dank der Größe, dem fingerempfindlichen Display und einem Haufen Apps ist heute ein Tablet im Alltag oft unverzichtbar. Ohne iPad gäbe es das Nexus 7 oder Galaxy Note 10.1 nicht bzw. nicht in der Form. Und wieder bringt Apple eine neue Lösung des alten Problems.
  • MacBook Air – Ein Laptop, der wegen der Akkulaufzeit und des dünnen Gehäuses das erste wirklich mobile Notebook darstellte. Was für ein Ultrabook heute zum Standard geworden ist, war zur Erscheinung des ersten Airs unglaublich.

Somit lässt es sich sagen, dass Apple oft auch ohne technischen Innovationen eine neue Art der Interaktion mit der Technik erfindet. Dies zeigt wiederum, dass Apple nicht den Bedürfnissen des Marktes nachgeht, sondern diese erschafft. Das Verhalten von Apple passt sehr gut in das Schema des Inside-Out-Konzeptes: Die Wettbewerbsvorteile leitet man von eigener Stärken ab, ohne von dem Markt abgelenkt zu werden.

Diese Strategie bringt aber bestimmte Nachteile mit sich, die auch bei Apple zu sehen sind. So ist beispielsweise die extreme Sturheit gegenüber vorhandenen und potentiellen Kunden eine große Gefahr. Diese trifft zum Teil auch Apple, wenn auch nicht stark genug. Sind 4 Zoll wirklich die optimale Größe für ein Smartphone-Display? Oder ist ein optisches Laufwerk ein Nichtsnutz? War Flash schon von Anfang an tot? Soll man das Filesystem eines Smartphones sehen können? All diese Fragen beantwortet Apple viel zu oft alleine, ohne Kunden zu fragen. Zwar kann man dies mit „It just works“ oder vielversprechenden und nichtssagenden „It works like magic“ bezeichnen, aber in der Wirklichkeit sind das die Begrenzungen, die Apple eigenhändig setzt. Deal with it!

Um zu zeigen, inwieweit das erste iMac handlich war, hat man sogar einen Griff zur Transportierung eingebaut. Nicht unbedingt die beste Entscheidung.

Vision

Wenn dem so ist, warum ist denn Apple dann so beliebt? Warum weiß Apple stets, was Kunden brauchen, wenn sie es selbst nicht wissen? Der Schlüssel zum Erfolg liegt an den Visionen, die bei Apple weit oben auf der Tagesordnung stehen. Eine Vision ist einfach eine Vorstellung davon, was morgen gebraucht wird, und was davon man mit heutigen Technologien bauen kann. Im Vergleich zu vielen anderen Unternehmen wird bei Apple zuerst ein grundlegendes Konzept des fertigen Produktes entwickelt und erst später werden die nötigen Technologien ausgesucht.

Diese Vorgehensweise schildert man am Besten am Beispiel des iPhones. Das Glas des Displays, Multitouch, kinetischer Bildlauf (Scrolling) – dies alles waren keine Technologien, auf denen das iPhone basierte. Nein, zuerst kam die Idee, ein Handy mit einem Touchscreen zu entwickeln, das logisch und einfach zu bedienen wäre, sodass sogar ein Kind damit umgehen könnte. Ohne zu lesen, ohne Anweisungen des Entwicklers nachzugehen.

Daraus entstand die Idee, auf den Stylus (Eingabestift) zu verzichten, und dies ergab die Wahl des kapazitiven Touchscreens. Auch Pinch-To-Zoom-Gesten sind heute üblich für jedes System, aber vor Apple kam keiner auf die Idee, so eine natürliche Geste in einem technischen Gerät umzusetzen. Der komplette Weg der iPhone-Entwicklung war bei weitem nicht so einfach wie das genannte Beispiel, aber die Grundidee und das Muster lassen sich hoffentlich erkennen.

An dieser Stelle ist hinzuzufügen, dass nicht die waschechten Visionäre und Hellseher für den Erfolg des Unternehmens zuständig sind, obwohl man Leitfiguren, wie Steve Jobs oder Jony Ive, verdammt oft und gerne idealisiert. Viel mehr ist die Kooperation bei Apple wichtig: Die Unternehmensstruktur ist darauf aufgebaut, dass die Kooperation zwischen Techies und Designern, Business-Menschen und IT-Freaks geprägt und sogar gefordert wird. Laut Insidern ist sogar das Hauptquartier von Apple in Kalifornien so geplant worden, dass die Mitarbeiter sich öfter in den Durchgängen treffen. Ein radikaler Schritt des Personalmanagements, der aber Früchte trägt.

  • Zwischenfazit: Die wichtigsten Stärken von Apple sind die präzisen Visionen der Zukunft, welche aber nicht durch die Gabe einzelner Menschen entstehen, sondern mithilfe der Kooperation zwischen der Mitarbeiter aus unterschiedlichen „Welten“ zustande kommen.
  • Stichwörter: Humankapital; Personalmanagement

Image

Apple ist das Starbucks der Technologiebranche!

Heute kann man dem Unternehmen aber vorwerfen, dass die Entwicklung ins Stottern geraten ist: Seit knappen 4 Jahren, also in der Zeit, in der Steve Jobs nicht mehr (in vollem Umfang) im Unternehmen tätig gewesen ist, gibt es kein innovatives Produkt von Apple. Und das ist der Punkt, an dem Apple sich beweisen muss. Es stehen zurzeit zwei Produkte in den Startlöchern: Ein neuer AppleTV und eine Smartwatch. Der Erfolg dieser Produkte wird für das ganze Unternehmen maßgebend. Nein, Apple geht auf keinem Fall in Konkurs und leidet finanziell zunächst gar nicht – dafür hat das Unternehmen eine viel zu große finanzielle Grundlage.

Nichtdestotrotz ist Apple ein Unternehmen, das vom Image lebt. Für immer ein junges, aber trotzdem solides und zum Teil gar elitäres Unternehmen, Trendsetter, Revolutionäre – so nehmen Millionen Menschen Apple wahr. Und zum Teil auch deswegen werden die Geräte so geliebt und gefeiert. Oder besser gesagt: Nicht die Geräte, sondern der Lifestyle, der hinter der Geräten steht. Apple ist das Starbucks der Technologiebranche! Hinter den Produkten stehen lange Geschichten, die die Erzeugnisse – leblose Metallbarren – vermenschlichen. Und wie nennt man das, wenn nicht die Religion.

Wie und warum auch immer…

„ If you want to get rich, you start a religion“ © Ron Hubbard, Erfinder von Scientology.

Wenn man weiterdenkt, ist es auch nichts Weiteres, als eine Religion, die die PR-Abteilung des Unternehmens durch den gezielten Einsatz vom Marketing-Mix und Identity-Mix erschaffen hat: Hohe Preise, innovative Produkte mit hoher Einbindung (vom Apfel-Sticker bis hin zum Apple-Store), aggressive Kommunikationspolitik. Wie diese Aura erschaffen wurde und tagtäglich unterstützt wird ist eine lange Erfolgsgeschichte. Nur über das Erscheinungsbild der Manager in den Medien oder über die hauseigene Präsentationen von Apple, die eine Stufe über dem Standard stehen, kann man eine weitere Artikelreihe verfassen.

Die ganze Bemühungen resultieren in der totalen branchenübergreifenden Dominanz, was das Image angeht. Die meisten Holy-Wars im Internet und jenseits davon drehen sich um Apple. Oder, wenn wir ein anderes Beispiel nehmen: Was führt einen Menschen dazu, seinen 30.000 Euro teuren Tuareg oder AMG mit einem aus der Verpackung des 300-500 Euro billigen Gerätes genommenen abgebissenen Apfel zu bekleben? Nur die religiöse Überzeugung, mehr nicht.

Holy-War à la Apple: „Mac vs. PC“-Werbung gehört mittlerweile zur Klassik

Aber zurück zum Image. Im Gegensatz zu Samsung, dessen Manager mit dem Image eines Kühlschrank-Hersteller schon einst gekämpft haben, Apple hat das Image eines perfekten Unternehmens aufgebaut. Soll ein langerwartetes Produkt erscheinen und keinen Erfolg ergattern, so schadet dies in erster Reihe dem Image, das seinerseits in langfristiger Perspektive das Unternehmen innerlich zerfressen kann.

Ein Aufmerksamer Leser wird mir vorwerfen, dass Apple schon das ein oder andere erfolglose Produkt auf den Markt brachte. Darunter kann man sowohl einen der misslungenen iPods, die als „totaler Mist“ gekennzeichnet wurden, als auch das aktuelle iPhone 5c zählen. Aber wirft man einen kurzen Blick auf die beiden, merkt man sofort, warum sie keine zerstörende Rolle für den Werdegang des Unternehmens spielten: Weder das eine, noch das andere Produkt war „verändernd“ im Sinne der Interaktionsveränderung. Das neue „billige“ iPhone ist nur die Variation des alten Modells, von dem man auch nichts Anderes erwartet. Und ein weiterer, uninteressanter iPod stellte immer nur die Produktvariation dar.

Darüber hinaus kann man feststellen, dass Apple sich unzählige Neuversuche gönnen darf, wenn es um die „Produktvariation“ bzw. „Business-as-usual“ geht. Sollte dem Unternehmen ein größerer Schritt misslingen, so riskiert man mit dem das lebenswichtige Image.

  • Zwischenfazit: Apple hat große finanzielle Reserven, ist „bulletproof“ gegen Business-Ungereimtheiten, aber im Gegensatz zu Samsung zärtlich gegen Image-Schäden, die die „Heiligkeit“ der Marke verletzen können.
  • Stichwörter: ImageCorporate Identity

Anstelle des Nachwortes

Diese Aspekte sind ohne Frage wichtig für die Alleinstellung des Unternehmens. Allerdings gibt es noch viele weitere Besonderheiten von Apple, die den Rahmen des Artikels sprengen würden. Deswegen entschied ich mich dafür, zuerst eine Pause einzulegen und die Rezeptionen zu sammeln.

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