Kommentar: Symbians langsamer Tod

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Ich habe die letzten Tage und Wochen sehr viele Diskussionen über Symbian geführt und meine Meinung auch immer wieder in diversen Berichten wiedergegeben. Es ist jedoch trotzdem an der Zeit für einen gezielten Kommentar zu Symbian und dessen Zukunft. Es soll bei diesem Kommentar auch weniger um die Partnerschaft mit Microsoft oder das lang ersehnte Nokia N9/N950 mit MeeGo gehen (dazu schaut in unsere Kategorie „Kommentare“), es geht um die Zukunft von Symbian.

Dabei ist die Zukunft von Symbian eigentlich klar, da gibt es nichts zu diskutieren und das ist von Nokia auch offiziell so bestätigt: 2016 ist spätestens Schluss. Doch was ist bis 2016? Nokia hat einen riskanten Schritt gewagt und ein OS für tot erklärt, obwohl es das in den kommenden Jahren nicht ist. Nokia glaubt zwar anscheinend selbst nicht mehr an Symbian, hat aus diesem Grund die Entwicklung Accenture überlassen und will im 4. Quartal das erste Windows Phone auf den Markt werfen, trotzdem hat man sich als Ziel noch 150.000 verkaufte Einheiten gesetzt.

Wie eigentlich zu erwarten war, musste man zumindest die Vorhersagen für das Jahr 2011 korrigieren und kann keine langfristigen Prognosen mehr abgeben. Die Aktie brach bei dieser Nachricht gestern um über 18% ein und sank auf ein neues Tief, laut Handelsblatt der tiefste Stand seit März 1998. Doch wie geht es weiter mit Symbian?

Symbian in der Vergangenheit

Fangen wir mal mit einem kleinen Rückblick an, als langjähriger Symbian-Fan und Nutzer der ersten Stunde habe ich bis heute eigentlich alle Symbian-Smartphones besessen, oder zumindest für längere Zeit in der Hand gehabt. Nokia hat, und diese Nachricht ist nicht neu, den Trend zu einem einfachen User Interface, welches für Touchscreens optimiert ist, einfach verschlafen und zu spät auf den Markt reagiert. Was die Gründe dafür waren, sei mal dahingestellt.

Es gab immer wieder Rückschläge und man gelobte immer wieder Besserung. Man war jedoch anscheinend in einer Position, in der man es sich erlauben konnte abzuwarten und die Konkurrenz zu beobachten. Apple hatte mit dem iPhone jedoch größeren Erfolg, als man wohl anfangs gedacht hatte und dann war da auch noch Google mit Android, auf einmal wilderte die Konkurrenz auch in Bereichen, die bisher Spezialgebiet von Nokia waren: Der Massenmarkt.

Die Wende

Vor etwas mehr als einem Jahr präsentierte Nokia dann mit Stolz das Nokia N8 und Symbian^3 und glaubte damit wieder im Rennen zu sein. Man versprach zahlreiche Updates und wollte das OS schnell verbessern. Doch auch hier scheiterte man wieder, zwar gibt es User, die mit Symbian und dem Lineup zufrieden sind und dieses kaufen und nutzen, die Mehrheit ist das aber nicht mehr. Zu viele sind enttäuscht und wollen nicht mehr warten.

Man erkannte anscheinend irgendwann den Ernst der Lage und wollte nicht mehr an Symbian festhalten, Windows Phone von Microsoft ist die Zukunft und zusammen könne man das dritte Ökosystem aufbauen und Android bekämpfen. So predigt es zumindest Stephen Elop in seinen Keynotes. Es geht hier nicht unbedingt um ein einzelnes Gerät, wie es Apple anbietet, die breite Masse muss versorgt werden und das schafft man nicht mit MeeGo und auch nicht mehr mit Symbian.

Und Symbian?

Doch so einfach geht das natürlich auch nicht, so ein Ziel kostet Zeit und es muss investiert werden. Doch was verkauft man den Leuten, bis man ihnen das erste Windows Phone und später ein komplettes Lineup bieten kann? Man entschied sich für Symbian.

Es ist ein Risiko für Nokia, Symbian ist in den Medien nicht attraktiv vertreten und das liegt nicht daran, dass alle Journalisten/Blogger mit einem iPhone durch die Welt rennen (das tun sie nicht), man kann einfach nicht mit positiven Schlagzeilen punkten.

Symbian in den Medien

Nehmen wir zum Beispiel das aktuelle Beispiel „Anna“, wie lange warten die Fans schon auf dieses Update? Natürlich, es gibt da draußen auch eine große Kundschaft, der das egal ist. Doch die Leute, die Geräte nutzen und empfehlen und darüber schreiben, denen ist das nicht egal. Das gilt zum Beispiel für mich, ein Jahr Wartezeit für „Anna“ auf meinem N8 ist einfach zu lange. Punkt.

Nehmen wir ein anderes Beispiel, die Hardware. Für heutige Verhältnisse besitzen die Symbian-Smartphones einen schwachen Prozessor und wenig RAM. Sagt das aber bloß keinem Symbian-User, der zufrieden ist, seine Antwort lautet immer „Symbian benötigt nicht mehr“. Genauso wie euch ein zufriedener iPhone-User immer sagen wird, dass es ihn nicht stört, dass er Apps ohne Jailbreak nur aus dem AppStore runterladen kann.

Ich nutze selbst ein N8 und ich glaube mehr MHz und RAM würden auch diesem Gerät ganz gut tun, gerade im Vergleich mit dem SGS2 war das N8 doch schon spürbar zu langsam. Das würde es aber teurer in der Produktion machen und Nokia könnte es nicht zu einem Neupreis von etwa 350 Euro (aktuelle Preise nach der Nachricht von gestern) anbieten.

Auf der Nokia World 2011 wird mit hoher Wahrscheinlichkeit Symbian Belle präsentiert werden, das zweite große Update und damit sicherlich auch ein paar neue Geräte. Doch ich würde fast drauf wetten, dass es keine Dual-Core Prozessoren verbaut werden, die den Preis in die Höhe treiben.

Symbian auf dem Stand von 2010

Spinnen wir das also mal weiter: Nokia verzichtet vielleicht auf eine hochwertige Kamera wie im N8, verbaut einen Prozessor mit 1 GHz Leistung und packt 512 MB RAM in ein Gerät, welches an Weihnachten 2011 auf dem Markt sein wird. Damit ist man von der Hardware auf dem Stand, auf dem Samsung beispielsweise 2010 mit dem Galaxy S war.

Statt also hier und dort ein Highlight einzubauen (wie zum Beispiel die Kamera im N8), verzichtet man darauf und drückt die Geräte auf einen möglichst tiefen Preis. In der oberen Liga hat man bis dahin ja das erste Windows Phone und vermutlich auch zwei mit MeeGo am Start. Das ist jetzt einfach mal meine Vermutung, ich lasse mich da aber gerne eines besseren belehren.

Wer soll Symbian kaufen?

Es gibt für jedes Smartphone eine Käufergruppe da draußen, der Markt ist riesig. Es gibt auch Personen, die mit einem N8 oder E7 bestens auskommen und die Vorteile eines Samsung Galaxy S2 zum Beispiel gar nicht nutzen würdem, dafür aber die beste Kamera in einem Handy wollen. Gibt es, doch der Anteil wird kleiner und der Fokus geht weg von „bester Mp3-Player“ und „beste Kamera“ im Handy, Internet und Apps stehen schon bald an erster Stelle.

Eine Frage, die ich Mr. Elop gerne mal persönlich stellen würde: „Warum sollte ich mir ein Symbian-Smartphone kaufen, wenn sogar Nokia nicht mehr an dieses OS glaubt und es in ein paar Jahren gegen Windows Phone austauschen wird?“ Warum soll ich Leuten ein OS empfehlen, wenn es das eigene Unternehmen nicht für zukunftssicher hält? Ganz egal auf welchem Stand es momentan ist und wie die Konkurrent bei Android oder iOS aussieht.

Symbian ist tot

Wir schreiben das Jahr 2011 und Symbian ist noch nicht tot, es wird verbessert und es kommt auch neue Hardware. Doch es wird der Tag kommen, an dem Nokia an eine Produktankündigung den Zusatz anhängt, dass dies das letzte Gerät mit Symbian sein wird und man in zwei Jahren den Support einstellen wird.

Symbian ist also faktisch nicht tot, sondern es stirbt aus. Welcher Entwickler soll also noch auf den Zug aufspringen? Instagram, die sich mit ihrem Foto-Dienst ein großes Netzwerk aufbauen wollen? Facebook, die es bisher auch nicht für nötig gehalten haben eine offizielle App zu entwickeln? Nein.

Es wird Entwickler und neue Apps geben, vor allem Spiele wie ein aktuelles Fifa oder eine neue Version von Angry Birds bleiben auch bei Symbian aktuell, damit lässt sich ja weiterhin Geld machen. Mit der Zeit wird aber auch Nokia seinen Support einstellen und mit Apps für Windows Phone statt Symbian daherkommen, da bin ich mir ganz sicher.

Abschließende Worte

Es ist immer leicht zu sagen, dass man Symbian nicht mag, man muss sich jedoch damit beschäftigt haben. Es hat momentan die gleiche Daseinsberechtigung, wie alle anderen auch und es wird auch noch ein paar Jahre seine Käufergruppen haben, doch Nokia hat ein Problem und das weiß man.

Das Problem ist weniger der aktuelle Stand des OS, sondern seine Zukunft. Man muss den Leuten ein OS verkaufen, an das man selbst nicht mehr glaubt, das man in fremde Hände gegeben hat und welches man in Zukunft nicht mehr unterstützen wird.


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