hub 2016: Künstliche Intelligenz und lauter bunte Buzzwords

Kommentar

Eines der Schlüsselthemen auf der hub 2016 des Bitkom war, neben AR, auch Artificial Intelligence, kurz AI.

Doch der ganze Komplex steckt noch immer in den Kinderschuhen, meint Silvan C. Rath, der CEO von predict.io) AI finde sich heute im Spannungsfeld von Marketing-Schlagwörtern und echter Forschungsarbeit wieder.

Der Talk mit dem Titel „Why AI is like teenage sex“ sprang Besuchern der hub 2016 bei der Lektüre des Konferenzprogramms geradezu ins Auge und machte neugierig. Was würde der Sprecher unter dieser Überschrift skizzieren: Eine kurz vor der Singularität stehende echte künstliche Intelligenz, etwas, dem beim Werden zuzusehen sozusagen etwas voyeuristisches hat? Gleich vorweg: Nichts dergleichen. Der Talk war im Gegenteil ziemlich ernüchternd, dennoch aber durchaus erhellend.

silvan-c-rath / Bild: hub conference 2016 Website

Bereits zu Anfang seines Vortrags verriet Silvan C. Rath, was er mit seinem plakativen Titel meint: Sex bei Teenagern, so der Firmenchef, das ist etwas, über das alle reden und keiner weiß, wie es gemacht wird und was genau dabei passiert. Genau das sei momentan im Diskurs um AI der Fall. AI, KI, neuronale Netze, selbstlernende Systeme, maschinelles Lernen, lauter bunte Buzzwords, die synonym und teils schlicht falsch Anwendung finden und es sei oft völlig unklar, was damit gemeint ist.

Eine hinreichend fortschrittliche Technologie ist von Magie nicht mehr zu unterscheiden. Arthur C. Clarke, der berühmte Sciencefiction-Prophet hat das gesagt und diese Aussage an sich ist zunächst ganz und gar nicht abgehoben. Man kann durchaus sagen, dass eine hinreichend weit entwickelte Technik für Menschen eines deutlich niedrigeren Entwicklungsstandes etwas magisches an sich hat, wenn sie keine Chance haben die zugrundeliegenden Wirkmechanismen zu durchschauen.

Das allein, verdeutlicht Rath, mache keine AI. Wenn wir nicht mehr verstehen, wie und warum etwas passiert, wird es gern AI genannt. Vieles davon ist allerdings lediglich profunde Anwendung algorithmischer Verfahren zur Datenverarbeitung und Mustererkennung. Ein Smartphone verfüge über bis zu 13 Sensoren, Luftdruck, Beschleunigung, verschiedene Ortungsdienste, teils Umgebungslicht und Temperatur, das alles werde kontinuierlich gemessen und erzeuge mit der Zeit gewaltige Datenberge.

Bis zu ein GB pro Stunde könne hier zusammen kommen, ein Wert, der zu überprüfen interessant wäre. Maschinelles Lernen ist jahrzehntealt, so der AI-Stratege. Das erste selbstlernende Spiel stammt von IBM und datiert zurück ins Jahr 1959. Heute vorauszusagen, dass ein Mensch in sein Auto steigt, zehn Minuten, bevor er es tut, sei bereits eine gute Leistung. Doch sind solche Erfolge doch zumeist eher Resultate maschinellen Lernens, denn echter AI.

hub 2016: Viel VR, viel AI und interessante Zwischentöne23. November 2016 JETZT LESEN →

Definition noch immer unklar

Was AI ist, sei noch gar nicht fest definiert. Ein Konzept des aufbauenden Lernens könne ein Maßstab sein. Ein System, das Fahrradfahren gelernt hat und daraufhin selbstständig Autofahren lernt. Grundsätzlich könne eine AI dadurch charakterisiert werden, dass sie selbstständig gewinnbringende Strategien findet.

Siri wird stets als AI-Beispiel herangezogen, obgleich wir alle wissen, wie wenig intelligent das System, wie sehr es auf die starren Vorgaben der Entwickler gestützt ist und dass es vollständig darin versagt kontextsensitive oder mehrstufige Fragen zu beantworten, von einer merkbaren Lernkurve ganz zu schweigen. Andere Assistenten sind in einigen Aspekten besser, aber auch hier ist es zumeist letztlich eine Frage der Raffinesse der verwendeten maschinellen Lernprozesse.

Der Geist in der Maschine

Alpha Go, Googles Go-spielendes Programm, sei interessant auf einem geeky Level, so Rath. Ob dieses System AI-Anteile nimmt, lässt der Spezialist offen, es scheint aber plausibel. Alpha Go hatte einen menschlichen Meisterspieler schlagen können und Analysten konnten merkbare Modifikationen in seinem Spiel erkennen. Go gilt indes als noch deutlich komplexer als Schach.

Ob ein Schachcomputer wie Deep Blue, der einen menschlichen Meister bereits vor Jahrzehnten schlug, als AI einzuordnen ist? Rath würde dies vermutlich anzweifeln. Fakt sei, die Systeme werden performanter. Die noch immer schnell zunehmende CPU-Power macht vieles möglich, das früher mangels Performance gar nicht vorstellbar ist, dennoch, so der CEO, „Wenn euch Leute etwas von AI erzählen, kauft ihnen das nicht einfach ab! Ich selbst benutze das Wort im Gespräch mit Marketingleuten, aber nicht bei Techis.

Da spreche ich dann oft von „maschinellem Lernen.“ Maschinenlernen ist zwar sehr wirkmächtig, gerade in Verbindung mit Big Data, das ebenfalls noch eine Definitionsphase durchmache, aber eine an sich übersichtliche Aufgabe. Und wann es tatsächlich zur Singularität kommt, dem hypothetischen Punkt also, an dem eine Maschine sich ihrer selbst bewusst wird.

Die Einen sprächen von 15 Jahren, Andere von 25 Jahren, es gäbe da diese Leute wie Googles Ray Kurzweil oder die Singularity University in Kalifornien, es schien, als glaube Rath selbst noch nicht so recht an eine Singularität, ob in 20 oder 100 Jahren.

Alltagsanwendungen für AI und maschinelles Lernen

Im nun folgenden Panel wurden einige mögliche Anwendungsszenarien für AI skizziert. Das waren dann teils sehr handfeste Aufgaben, die bereits heute mancherorts halbautomatisiert erledigt werden und der Besucher hatte noch die Worte Raths im Ohr. So war es dann auch nicht sehr schwierig Systeme, die etwa im Kundenservice Anwendung finden und eingehende Anfragen vorsortieren, den Sachbearbeitern bereits vermeintlich passende Antworttext/Bausteine vorschlagen oder bei hoher Last Anfragen gar vollautonom beantworten sollen, klar als Erzeugnisse maschineller Lernprozesse einzuordnen.

Und da ist es dann auch kein Hexenwerk mehr, wenn die Systeme Kunden bereits mit Vor- und Nachnamen ansprechen, wie es etwa die Kundenhotlines von Otto oder Apple bereits teilweise tun. Wenn also die Entwickler solcher Systeme von AI sprechen, ist das Marketing-Sprech und ihre Systeme tragen ungünstigstenfalls aller höchstens zur Frustration entnervter Kunden und Kundenberatern bei, die, auf beiden Seiten des Bildschirms an den unpassenden und wenig hilfreichen Textbausteinen schier verzweifeln.

Eine weitere mögliche Anwendung wurde im Finanzsektor gesehen: 75% aller Insolvenzen, so einer der Panelteilnehmer, seien auf schlechte Buchführung zurückzuführen. Ein System, dass das Papierzeitalter hinter sich gelassen und stets auf alle aktuellen Unterlagen in Echtzeit zugreifen könne, gar eine selbstlernende Steuerverwaltung, dies seien die AI-Anwendungen eines innovativen Finanzwesens.

Nun, vielleicht. Schließlich war da noch Fabian Westerheide, CEO von Asgard, einer Venture Capital-Gruppe, der dann doch nichts weniger prophezeite als den hausgemachten Weltuntergang. AI sei womöglich des Menschen letzte Erfindung. Nun, wer muss hier nicht an die Singulariity-Reihe des Autors William Hertling denken.

Am Ende haben selbst replizierende Denkmaschinen die Erde und das halbe Sonnensystem in Computronium verwandelt und die letzten Menschen müssen auf den Monden des Jupiter siedeln. Dann doch lieber eine ewig unbedarfte Siri.

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