Der „Elektro-Golf“? VW ID.3 Pro im Test

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Der VW ID.3 ist sowas wie der „elektrische Golf“ für die Zukunft von Volkswagen, denn der e-Golf wird keinen Nachfolger mit dem Golf 8 bekommen. Das ergibt auch Sinn, denn eine Elektro-Plattform ist besser, als eine Verbrenner-Plattform.

Allerdings legte der VW ID.3 einen holprigen Start mit der 1st Edition vor gut einem Jahr hin und Berichte über viele kleine Probleme häuften sich. Nun hat Volkswagen viel gefixt und ich konnte mir den VW ID.3 zwei Wochen im Alltag anschauen.

Es handelt sich hier übrigens um den VW ID.3 Pro, also die mittlere Akkugröße, mit Vollausstattung. Wir sprechen also über ca. 48.000 Euro Listenpreis und ca. 40.000 Euro, wenn man die Förderung von Volkswagen und vom Bund abzieht.

Video: VW ID.3 im Test

VW ID.3: Von außen nach innen

Der VW ID.3 fährt sich sehr gut im Alltag, er ist gut gefedert und liegt gut auf der Straße. Man merkt das hohe Gewicht von fast 2 Tonnen nicht und der Heckantrieb mit 150 kW (204 PS) sorgt für einen ordentlichen Schub beim Fahren.

Im Alltag merkt man, dass Volkswagen seit vielen Jahren solche Autos baut und man bekommt hier ein sehr ausgewogenes Auto. Es ist nicht unbedingt sportlich abgestimmt, aber für mich wäre es im Alltag dennoch sportlich genug.

Die Front ist nicht unbedingt mein Fall, auch mit diesem Plastikaufsatz auf der „Motorhaube“. Ein Frunk (Kofferraum vorne) fehlt leider, dafür ist das Heck für mich durchaus ansprechend. Nur der Kofferraum ist leider nicht automatisch.

Das Platzangebot im Innenraum ist wirklich sehr gut, vor allem vorne fühlt es sich sehr „luftig“ und minimalistisch an, da nutzt man voll den Vorteil einer Plattform für Elektroautos. Daher bin ich auch kein Freund von Verbrenner-Umbauten.

Hinten hat man mit 1,90 m auch noch gut Platz und auch der Kofferraum ist hier ausreichend groß (und hat noch ein Fach darunter, in dem man Kabel verstauen kann). Nur bei der Materialwahl bin ich ehrlich gesagt nicht so zufrieden.

Einige Materialien fühlen sich gut und hochwertig an, aber man spürt auch billiges Plastik hier und da und die Hochglanzoptik macht es auch nicht hochwertig. Ein VW ID.4 und Skoda Enyaq sind da doch eine ganze Ecke hochwertiger innen.

VW ID.3: Touch an der falschen Stelle

Was mir auch nicht gefällt sind die Touch-Tasten beim Lenkrad. Man kann sie normal „klicken“ und bekommt ein haptisches Feedback, aber man muss immer wieder hinschauen und das lenkt den Fokus gerne mal von der Straße weg.

Außerdem kann man auch „swipen“, zum Beispiel um die Musik lauter zu machen. Das ist mir in den zwei Wochen auch zweimal unfreiwillig passiert, da ich beim Lenken über die entsprechende Stelle gewischt habe – das geht gar nicht.

Das gilt auch für die Touch-Elemente unter dem Display in der Mitte, da muss man bei der Klimaanlage schon hinschauen, damit man das gut trifft. Und wieder: Der Fokus wandert weg von der Straße und man konzentriert sich voll darauf.

Die Elemente darunter trifft man dabei gerne mal unfreiwillig und wenn es dunkel ist, sind sie auch nicht beleuchtet. Hinzu kommt eine Hochglanzoptik und man sieht die Fingerabdrücke ab Tag 1 (und die Oberfläche ist Anfällig für Kratzer).

Kurz: Ich verstehe, dass das Kosten spart und modern wirken mag und ich mag Touch an den richtigen Stellen, Autos dürfen modern sein. Volkswagen hat es hier aber etwas übertrieben und nicht gerade optimal im VW ID.3 umgesetzt.

VW ID.3: Software läuft jetzt gut

Das Display in der Mitte würde mir bei der Größe ausreichen, ich habe aber auch schon einen VW ID.4 und Skoda Enyaq von Innen gesehen und warum gibt es hier ein größeres Display? Weil sie etwas teurer sind? Das ist die alte Denkweise.

Der VW ID.3 hätte das gleiche große Display wie die SUVs bekommen dürfen, mit dem Display selbst war ich aber dennoch zufrieden. Man kann es gut mit der Hand erreichen, die Darstellung ist super, die Farben kräftig und Blinkwinkel gut.

Probleme mit der Software hatte ich in der kompletten Zeit tatsächlich keine, nur einmal ging das Head-Up-Display bei der Fahrt aus und ich habe es kurz aus und wieder eingeschaltet. Sonst lief die Software im VW ID.3 aber reibungslos.

Apple CarPlay funktioniert sehr gut kabellos und das habe ich auch die meiste Zeit genutzt, denn die Benutzeroberfläche von Volkswagen ist zwar nun moderner, aber die Möglichkeiten (Spotify, Google Maps, …) von CarPlay sind noch besser.

In der Mittelkonsole gibt es eine Halterung für zwei Smartphones, die auch leicht gummiert und gut zu erreichen ist. Die untere besitzt Qi und somit kann man das iPhone bei der Fahrt (bei kabellosem Apple CarPlay nötig) bequem laden.

VW ID.3: Ein gutes Elektroauto?

Die Performance ist okay, aber es ist eben kein Dual-Motor mit 300+ PS. Würde mir im Alltag ausreichen, aber in dieser Preisklasse gibt es auch gerne mehr. Doch wie weit kommt man mit dem mittleren Akku (VW ID.3 Pro) in etwa im Alltag?

Bei mir waren es um die 350 bis 370 km, nur im Sportmodus und mit einer längeren Autobahnfahrt sind es dann eben auch mal unter 300 km. Vor allem in der Stadt und auf der Landstraße ist der VW ID.3 aber ein sehr sparsames Auto.

Es gibt zwei Fahrmodi: D und B. D erinnert mehr an Benziner und B schaltet dann die Rekuperation so ein, dass man viel mit Strompedal fahren kann. Doch auch VW geht leider nicht weit genug und man kann nicht auf die Bremse verzichten.

Der VW ID.3 fährt oft effizient und bremst einen nicht unnötig stark runter, aber wenn man das mal möchte (Ampel, Kreisel, Kreuzung, …) dann „bremst“ er etwas zu wenig und man muss im Alltag eben doch weiterhin die Bremse treten.

Ich nutze das sogenannten „One-Pedal-Driving“ aber auch gerne bis zum Stillstand und würde mir wünschen, dass Volkswagen das einbaut. Von mir aus auch gerne optional, denn es gibt auch viele Fahrer, die das beim Fahren nicht mögen.

Am Schnelllader wird mit bis zu 100 kW geladen und ich muss sagen, dass ich von einer Elektro-Plattform mehr erwartet habe. Ab 50 Prozent Akku hatte ich oft keine 70 kW mehr und selbst die 100 kW hält der VW ID.3 nicht wirklich lange.

Wir leben in Zeiten, in der man über 150 kW bei einem Model 3 Standard Range bekommt und ein Ioniq 5 mit über 200 kW lädt. Der VW ID.3 ist hier leider zu weit abgeschlagen, beim schnellen Laden muss Volkswagen zügig nachlegen.

Anmerkung: Da beim VW ID.3 leider keine Ladekarte dabei war und man mit einem Testfahrzeug gerne mal ein paar Kilometer mehr als üblich fährt, durften wir für den Test kostenlos bei EnBW-Säulen laden. Es ist kein Geld für eine Kooperation oder sowas geflossen. Dennoch ein großes Danke an EnBW für diesen Support!

VW ID.3: Mein persönliches Fazit

Ich fahre einen VW Golf (noch, ich trenne mich jetzt vom Verbrenner) und daher bin ich mit dem VW ID.3 mit Blick auf die Größe sehr zufrieden. Er ist schön kompakt und hat einen guten Wendekreis – und dennoch sehr viel Platz im Innenraum.

Außerdem bietet er viele technische Highlights. Das pilotierte Fahren funktioniert gut und besser als bei Tesla (der ID.3 erkennt Verkehrsschilder und passt dann auch die Geschwindigkeit an) und das Head-Up-Display ist wirklich gut.

Mein ID.3 hatte die besseren Sitze, die ich auf jeden Fall buchen würde, auch wenn sie teuer sind, denn sie sind deutlich besser und die haben eine Massagefunktion. Fahrt mal pilotiert auf der Landstraße und lasst euch dabei bequem massieren.

Hinzu kommt, dass man das kapazitive Lenkrand nur berühren muss. Es nervt mich immer wieder, wenn selbst teure Autos verlangen, dass man leicht am Lenkrad wackelt, wenn man pilotiert fährt. So ein Lenkrad ist ab 40.000 Euro Pflicht.

Mit Blick auf die Ausstattung finde ich die 40.000 Euro okay, aber mit Blick auf den VW ID.3 als Elektroauto ist noch Luft nach oben. Ein Model 3 lädt deutlich schneller und hat eine ganze Ecke mehr Performance (ja, auch die Basisversion).

Volkswagen entwickelt die MEB-Plattform gerade weiter und ich kann mir gut vorstellen, dass da noch einige Dinge optimiert werden. Man spürt, dass das hier die erste Generation ist, bei der man eben noch Abstriche machen muss.

Der VW ID.3 ist aber ein sehr gutes Auto und er hat das Potenzial der Golf für die elektrische Zukunft zu werden. Er darf aber nicht so viel wie die Basis von einem Golf R (vergessen wir einfach mal die Förderung für einen Moment) kosten.

Kurz: Mir hat der VW ID.3 sehr viel Spaß gemacht, er ist ein sehr gutes Auto, aber bei der Elektromobilität ist noch Luft nach oben und beim Preis nach unten.

PS: Der VW ID.3 ist natürlich immer online (3 Jahre kostenlos) und es gibt auch eine App. Die ist aber noch ganz frisch und super simpel aufgebaut. Man sieht immerhin die Restreichweite, den Ladestand und kann die Klimaanlage damit steuern.

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