Im Oktober begleitete mich der Hyundai Ioniq 5 N im Alltag und ich muss gestehen, dass ich schon lange nicht mehr so gespannt auf ein Elektroauto war. Und der Test stellte sich als eine der interessantesten Erfahrungen heraus, seit ich Autos teste.
Das liegt nicht nur am Hyundai Ioniq 5 N selbst, das liegt auch an den Reaktionen in meinem Umfeld. Selten habe ich so viele Reaktionen bekommen und selten waren diese so unterschiedlich. Die einen liebten, die anderen hassten dieses Konzept.
Hyundai Ioniq 5 N: Der alte Verbrenner
Auf den ersten Blick wirkt der Hyundai Ioniq 5 N sehr bullig und aggressiv, aber ich kannte das Design schon, denn in meiner Gegend fahren bereits zwei Modelle. Eine Version in Weiß, die andere in Blau, wie beim Testwagen. Das Weiß ist schöner.
Doch mit dem Blau fällt man mehr auf, was bei der Zielgruppe der N-Reihe nicht unwichtig ist. Ich fahre zwar auch gerne sportliche Autos mit Leistung, aber ich mag es auch, wenn man nicht auffällt. Doch grundsätzlich finde ich das Design des Ioniq 5 bis heute schön, es gefällt mir, der normale Ioniq 5 sagt mir aber doch mehr zu.
Auf den zweiten Blick hat mit der Hyundai Ioniq 5 N dann aber wirklich überrascht, denn selten hat sich ein Elektroauto so sehr nach „dem guten alten Verbrenner“ angefühlt. Was in einer Sache übrigens auch an meiner Ausstattung der Sitze lag.
Mein Testwagen hatte nämlich keine elektrischen Sitze und es fing damit an, dass ich den Fahrersitz manuell herunterpumpen und mit Hebel nach hinten schieben musste. Das hatte ich in dieser Preisklasse ehrlich gesagt seit Jahren nicht mehr.
Zum Starten muss man dann einen Knopf drücken, was bei einem Elektroauto auch komplett überflüssig ist, da würde es reichen, wenn man den Hebel auf Drive stellt.
Mit ein bis zwei Optionen habe ich den Hyundai Ioniq 5 N dann direkt so eingestellt, dass man das „volle“ Erlebnis bekommt. Es gab also einen lauten Verbrennersound, der Schaltvorgang wurde simuliert, inklusive „Knallen“ beim Auspuff und das Auto wackelte im Alltag auch direkt ein bisschen. Hyundai simulierte mir den Verbrenner.
Das funktioniert, und das hat mich doch überrascht, wirklich gut. Ich habe auch einige Personen im Auto mitgenommen, auch einen Nachbarn, der mich direkt auf den Ioniq ansprach, und alle meinten, dass es sich sehr nach Verbrenner anfühlt.
Diese Mission, warum auch immer sie Hyundai verfolgt hat, ist gelungen.
Ein Auto mit auffälliger Farbe und Tuning, ein Fahrersitz, den man herunterpumpt, der Sound eines Motors, das leichte Ruckeln eines Schaltvorgangs, welches einem auch kurz die Leistung wegnimmt, ich habe mich direkt an meine Zeit erinnert, in der wir alle unsere ersten Autos mit unter 18 Jahren bekamen und das „cool“ war.
Man muss es mögen, mich holt es mit Mitte 30 aber nicht mehr wirklich ab. Das Team von Hyundai hat erstaunlich gute Arbeit geleistet, das Konzept geht hier auf, aber für mich ist der Ansatz des Hyundai Ioniq 5 N dann doch eine Ecke too much.
Hyundai Ioniq 5 N: Das gute Elektroauto
Doch nach ein paar Tagen mit dem Verbrenner-Elektroauto habe ich den Spieß umgedreht und den Verbrenner verbannt. Der Fake-Schaltvorgang ist optional, es gibt auch einen guten Fake-Elektrosound, der deutlich leiser und angenehmer ist, und die Leistung von über 600 PS kann man ja auch ohne diese Extras nutzen.
Und da stellte sich heraus, dass der Hyundai Ioniq 5 auch als N ein wirklich gutes Elektroauto ist, das N-Paket macht es teilweise auch spürbar besser. So gibt es ein echt gutes und adaptives Fahrwerk, welches sich entweder bequem oder sportlich fährt. Sowohl im Alltag als auch auf der Autobahn mit 200 km/h macht es Spaß.
Der Wendekreis bleibt fürchterlich und wird es wohl bleiben, denn für Hyundai ist eine Hinterachsenlenkung sicher zu teuer, aber dafür ist es ein Elektroauto, was als Elektroauto geplant wurde und das bedeutet Platz. Ich könnte hinter mit (ich bin 1,90 m groß) sitzen und im Kofferraum sind noch Kinderwagen und andere Dinge.
Vorne gibt es viel Platz, es fühlt sich allgemein luftig an, im Frunk verstaut man die Ladekabel und da es eine 800 Volt-Plattform ist, wird der Akku mit 80 kWh an der richtigen Ladesäule mit über 260 kW und guter Ladekurve geladen. Nur an der AC-Ladesäule bleibt es bei mageren 11 kW, da erwarte ich 22 kW (bei diesem Preis).
Nur effizient wird der Ioniq 5 vermutlich nicht mehr, vor allem nicht als N. Im N-Modus zeigt die harte Realität im Herbst maximal 300 km an. Und fährt man das Auto sportlich, ist selbst das kaum machbar. Im Eco-Modus habe ich die 260 km (hin und zurück) zu meinen Eltern gerade so geschafft, aber es wurde knapp.
Der Innenraum ist okay, aber mit dem Facelift und N hätte da auch etwas mehr kommen dürfen. Oder vielleicht auch etwas weniger, denn ich hatte schon lange kein Auto mehr, welches so viele Knöpfe und Elemente hatte. Was da alleine auf dem Lenkrad los ist. Als minimalistischer Mensch ist für mich weniger oft mehr.
Das mit der Software haken wir zügig ab, die E-Funktionen sind okay, aber das OS ist nicht das schnellste und umfangreichste und es ist eines dieser Autos, bei denen man (in meinem Fall) Apple CarPlay (kabellos möglich) aktiviert und sich nicht mehr umdreht. Hyundai plant übrigens (noch) eine Zukunft ohne Android Automotive.
Hyundai Ioniq 5 N: Genau das braucht es
Der Hyundai Ioniq 5 N macht Spaß, wenn man auf die optionalen Verbrenner-Extras verzichtet, sogar richtig viel Spaß. Man merkt zwar die hohe Bauform und auch das Gewicht, aber Hyundai hat das gut gemacht. Für mich ist das Konzept „N“ aber zu viel, ich mag es lieber schlicht. Leistung nehme ich mit, aber gerne dezenter.
Müsste ich einen Hyundai Ioniq 5 nehmen, es wäre die dezentere N Line in Schwarz mit zwei Motoren, aber da knackt man eben auch die 60.000 Euro und dann ist der Hyundai Ioniq 5 N der bessere Sportwagen. Doch obwohl er mir zu auffällig und zu „prollig“ ist, so habe ich wieder gemerkt, dass es eben diese Elektroautos benötigt.
Die einen wollen ein ruhiges und schlichtes Elektroauto, legen keinen Wert auf die Leistung und wollen ein paar Euro sparen und das ist gut so. Aber es gibt eben die N-Zielgruppe, oder von mir aus auch R-Fans (VW) bzw. RS-Fans (Audi). Und ein BMW M4 Competition Coupé verkauft sich auch gut und sieht aggressiv aus.
Der oben erwähnte Nachbar kommt vom Verbrenner und von Cupra und für ihn war genau dieser Hyundai Ioniq 5 N das Auto, welches als Elektroauto die Emotionen geweckt hat, die er bisher vermisst hat. Ich bin nicht die Zielgruppe, aber ich finde es gut, dass es auch Elektroautos gibt, die anders und auch etwas drüber sind.
Meine Frau hatte hingegen nur ein Wort, als sie den Testwagen sah: Peinlich. Sie war froh, wenn wir im Volvo EX40 unterwegs waren, der übrigens gar nicht so viel langsamer ist, dem man es aber überhaupt nicht ansieht. Peinlich finde ich den Hyundai Ioniq 5 N nicht, aber er wäre mir im Alltag doch auch etwas zu auffällig.
Beim Porsche Taycan Turbo GT haben sich weniger Menschen in anderen Autos auf der Autobahn umgeschaut, als beim Hyundai Ioniq 5 N. Dieses Auto will polarisieren und es gelingt ihm. Aber, ein Merkmal der Verbrenner-Ära kann Hyundai damit nicht zurückholen, den Preis. Ein Ioniq 5 N geht nämlich erst bei über 70.000 Euro los.
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