HTC: Die Geschichte (Teil 5)

Gastbeitrag

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Dieser Beitrag ist der fünfte Teil zu „HTC: Die Geschichte“

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Während das im letzten Artikel angesprochene Jahr den Anfang des großen Wandels im Mobilfunkbereich ankündigte, steht das Jahr 2008 für dessen eigentlichen Paradigmenwechsel. Diese Entwicklung ermöglichte den Wachstum der Branche während der schweren Zeit der Weltwirtschaftskrise: In der Zeit der Massenselbstmorde der Broker und Manager sorgte die Mobilfunkindustrie für die frischen Erfolgsgeschichten.

Für HTC bereitet dieses Jahr gleichzeitig zwei Wendepunkte – eine Geschichte geht zu Ende, die andere fängt gerade an…

Anhand des Börsenwertes sieht man deutlich: 2008 ist das zweiterfolgreichste Jahr in der Geschichte von HTC

Und schon wieder muss die Zeitgeisterweckungsrunde her:

  • 68% der Deutschen fühlen sich von der Wirtschaftskrise betroffen, die sich als die größte ihrer Art seit der Great Depression von 1928 erweist.
  • In USA wird der erste schwarze Präsident Barack Ichhöre Obama gewählt
  • Nokia erlebt die besten Zeiten, aber nach der Schließung des Bochum-Werkes erlitt den heftigsten Shitstorm und bekommt -100 Karma-Punkte;
  • Apple eröffnet das erste Geschäft für Anwendungssoftware unter dem Namen AppStore und ruft nicht nur die Welle der Nachahmer hervor (Android Markt, Nokia Ovi Store, Windows Mobile Marktplace), sondern belebt eine ganze Industrie: App-Entwicklung;
  • das erste kommerzielle Android Handy kommt auf den Markt und fängt eine glorreiche Geschichte der Markteroberung an. Mehr darüber später, denn das Handy ist die Entwicklung unseres Protagonisten;

Das könnte der wahre Slogan des Jahres sein, wenn man vorher informiert werden würde.

Während in früheren Jahren HTC trotz des stetig steigenden Erfolges immer wieder nach neuen Konzepten suchte, so ist dem Management jetzt klar, was den Erfolg katapultieren wird. Aber um solche  Klarheit über die Situation auf dem Markt zu verschaffen, wird ein kleiner Exkurs in gegnerischen Lager benötigt: Pünktlich zum 7. Jahrestag fangen wir die heutige Geschichte mit der Erinnerung an das meistgeliebte und meistgehasste Handy aller Zeiten.

iHype

“From everything I heard, Babe Ruth had only one home run; he just kept hitting it over and over again.” (C) Steve Jobs

Der eine oder andere Mitlesende wird sicherlich eine unzufriedene Grimasse ziehen, aber die Tatsache bleibt: Apple hat die Geschichte der mobilen Technologien mehrmals umgeschrieben. Ob durch iTunes von Piraten gerettete Musikindustrie oder durch GUI von grauen und grünen Zeilen gerettete Computernutzer – Apple kann einige Bahnbrecher auf dem Konto stolz verbuchen. Und wenn dem Unternehmen oft eigene Ideen fehlen, hat es dennoch eine der mächtigsten Durchsetzungskräfte auf der ganzen Welt.

Die Professionalität und die spezifischen Unternehmensressourcen von Apple angewendet auf die neue Branche haben die Wirkung eines Atombombenanschlages: Das iPhone wird zum ersten wirklich gehypten Handy. Auch zuvor gab es Kulthandys wie Nokia 3310, Motorola Startac oder RAZR, aber Diese waren nur in engeren Kreisen heißt begehrt. Die breitere Masse blieb eher zurückhaltend der Handywelt gegenüber. Im Gegensatz dazu wird das iPhone in kürzeste Zeit zum echten Hype – kaum ein Handy wurde bis dato so oft in Promi-Welt gesichtet wie das neue glänzende iPhone.

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Funfact: Das iPhone ist das erste Handy, das Menschen massenweise  in Kreditfallen drängte: die Handyverträge mit kostenlosem bzw. billigem iPhone  und die enormen Monatsraten ließen viele junge Erwachsenen später weinen. “Willhaben”-Effekt vom Feinsten. 

Der Rezept ist einfach: Aufgeräumte Menüs, Gestensteuerung, nette Animationen und viel Charme. Man kann stundenlang darüber diskutieren, was Apple von anderen klaute, wie wenig Funktionen das erste iPhone hatte oder wie veraltet die Hardware und wie unverdient der Durchbruch gewesen seien, aber Apple hat tatsächlich das Handy neudefiniert.

Skeumorphistische Menüs (Anspielung auf Materialien wie Leder, Holz, Papier oder Stahl), kinetischer Bildlauf, ausgeprägte Ästhetik des neuen Systems – das Alles und noch viel mehr hat Apple skrupulös und detailverliebt aufgebaut. Der innovativste Teil des ganzen ist jedenfalls der neue Digitizer (Touch-Teil des Displays): Wenngleich es schon mehrere Geräte mit kapazitiven Displays gab, ist das iPhone das erste Gerät mit einem kapazitivem Touchscreen aus Glass, was die zuvor ungesehene Genauigkeit der Fingereingabe ermöglicht.

Lily Aldrin würde sagen: „Say hello, Bitch“

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Funfact: Das iPhone hat sowohl arm als auch reich gemacht. Eine Menge Wiederverkäufer haben ihr Leben dank der Distributionspolitik von Apple vergoldet: Die größten Mobilfunkmärkte wie China und Russland, die zudem eine ganz besondere Einstellung zu Luxus-Waren haben, wurden vorerst ausgeschlossen. Während der Preis auf dem Heimatmarkt übertrieben hoch war, so war der Preis auf dem Schwarzmarkt fast schon grausam – bis hin umgerechnet 2000 Euro kostete das Vergnügen in „ausgeschlossenen“ Ländern. Dies machte aber so gut wie keine Hindernisse aus: die größten Märkte für das erste iPhone  waren absteigend USA, China und Russland. (Lesenswertes dazu)

Das iPhone wird zur Ikone der Touch-Handys, wenngleich die Verkaufszahlen des ersten Modells wegen des zu hohem Preis nicht explosionsartig sind. Der Erfolg des iPhones übt den massiven Einfluss auf die ganze Branche: Google und Microsoft überdenken Ihre Konzepte, Samsung rudert in für sich zuvor unübliche Richtung der Touch-Handys. Für uns ist aber der Einfluss auf HTC wichtig: Was hat unser Protagonist aus dem Erfolg von Apple gelernt? 

  • die Einfachheit und Primitivität sind angesagt;
  • die Haptik und das Aussehen der Geräte sind besonders wichtig;
  • das Äußere und das Innere müssen aufeinanderpassen;
  • die voreingestellten Medieninhalte sind wichtiger, als die Möglichkeit, eigene einzustellen;
  • das gestreute Produktportfolio ist nicht der einzige Weg zum Erfolg: Die „Ein-Produkt-Strategie“ torpediert Apple von 0 auf Platz 3 der Umsatz-Bestenliste der Branche im knappen Jahr;
  • Die Details sind wichtig: Selbst solche Kleinigkeiten wie Verpackung tragen zur Erfahrung des Nutzers bei.

Diese Tatsachen und die, dass die Kundschaft das im letzten Artikel beschriebenes HTC Touch und sein Slider Bruder Touch Dual sehr gut entgegennimmt, weisen auf die einzige Möglichkeit hin, sich in der neuen „iPhonisierten“ Welt durchzusetzen: Die Weiterentwicklung der Touch-Reihe mit dem Schwerpunkt auf die Einfachheit und den signifikanten Wow-Faktor. 

2008: U Can`t Touch This

HTC Touch Diamond – Das Gerät des Jahres.
Die Displayauflösung kommt an Kretin Retina-Displays nah, die erst in 3 Jahren vorgestellt werden. Innovation a-la Apple

Mittlerweile gehört HTC zu wichtigsten Akteuren in der Smartphone Szene.

Die Geräte werden inzwischen oft erkannt, wenn auch nicht von jedem. Die Entwicklung scheint zukunftsträchtiger denn je zu sein: Der Aktienwert boomt und die Verkaufszahlen steigen exponentiell. Die Auswirkung des iPhones auf das Unternehmen ist überraschenderweise positiv und hat den Charakter eines Rückenwindes: Als Vorreiter in der Branche überzeugt HTC die in iPhone interessierten Kunden mit deutlich niedrigeren Preis und überlegender Funktionalität. Die beiden Kontrahenten kommen aus weitentfernten Ecken und konkurrieren derzeit noch bei Weitem nicht miteinander: Während Apple mit AppStore das iPhone als cleveres Smartphone vermarkten will, versucht HTC sich von dem hartnäckigen Image des Nerd- und Business-Herstellers abzulösen.

Obwohl die meisten Medien Touch Diamond zu „iPhone-Killers“ stets eingeordnet haben, sieht man mit bloßem Auge, dass die Gerät unterschiedliche Nischen bedienen.

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Funfact: Im 2006 prophezeiten die Analytiker den 3 Rang der Smartphone-Herstellerliste für HTC. Während Nokia und RIM (heute Blackberry) die Führerschaft behalten sollten, war es für HTC vorgeschrieben, in nächsten Jahren den dritten Platz von Motorola abzunehmen. Was aus der Situation in nur 5 Jahren geworden ist beweist, dass die Analytik in Mobilfunkbranche auf der gleichen Stufe mit Wahrsagerei ist: Nokias Mobilfunk-Sparte übergeht an den größten Rivalen jener Zeit Microsoft, RIM struggelt um das Überleben und HTC verbucht einen Quartalverlust nach dem anderen. Das Schicksal ist ’ne Bitch.

Um ein Apex-Gerät zu kreieren, das die Firma sowohl gegen Apple, als auch gegen Nokia und Samsung führen wird, braucht man nicht nur eine Menge der Ingenieurleistung, sondern auch eine Hand voll Kreativität. Und gerade in diesem Jahr beweisen die Jungs von HTC ihre Potenz: das Flaggschiff-Handy des Jahres, das Touch Diamond heißt, ist eins der auffälligsten Smartphones in der Geschichte der Branche. Das Gerät hat eine enorme Innovationsdichte: so viele Neuerungen pro Kubikzentimeter findet man bei kaum einem anderen Handy. Das allerwichtigste ist dabei das Display. Die Diagonale beläuft sich nur auf 2,8 Zoll, es löst sich jedoch mit 640 auf 480 Pixel auf und hat für diese Zeit die wahnsinnige Blickwinkelstabilität.

Zudem verfügt es über den empfindlichsten resistiven Touchscreen in ganzer Branche – sogar auf dem winzigen 2,8 zölligen Display kann man fast schon auf das Stylus verzichten. Zweitens, als erstes Windows Mobile PDA-Phone bekommt der Neuling einen Accelerometer. Dies wird nicht nur für die Ausrichtung des Displays genutzt, sondern auch in einem Spiel  namens „Teeter“ eingesetzt. Heute mag es komisch klingen, aber das Spiel ist für seine Zeit recht exotisch und wird zum Markenzeichen der Firma. Des Weiteren, verfügt das Handy über ein kapazitives Scroll-Rad, das für die Vergrößerung und Verkleinerung der Inhalte genutzt wird – eine clevere Lösung des Problems von Windows Mobile:

Das Betriebssystem unterstützt keine kapazitiven Touchscreens und somit kein Multitouch (theoretisch könnte man eine Lösung für Pinch-To-Zoom finden, diese wäre aber sehr unpräzis, ressourcenlastig und teuer in Entwicklung).

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Funfact: Wenn man einen Kurzen Blick auf die Bewertungen der meistverkauften WM-Smartphones von 2008 wie Sony-Ericsson X1, Samsung Omnia i900 oder HTC Touch Diamond bei Amazon wirft, und Diese mit der Bewertungen der alten WM-Geräte vergleicht (siehe den letzten Artikel der Reihe), so bekommt man den Eindruck, etwas würde schief laufen – die neuen Geräte bekommen stets niedrigere Bewertungen. Aber der Grund liegt woanders: Mangels guter Plattform und angesichts der Nachfrage nach Touch-Smartphones greifen immer mehr Top-Hersteller zu WM, das an sich einfach beschießen schlecht für den normalen Kunden ist. Stammten die früheren Bewertungen überwiegen von Kennern, so sind fast alle aktuellen Bewertungen von „Normalos“ verfasst.

Eine weitere Besonderheit stellt die neue Oberfläche dar. Sie heißt neuerdings TouchFlo3D und bedeckt den größeren Teil der WM Oberfläche, die trotzt Bemühungen von Microsoft wie der Glöckner von Notre Dam aussieht. Und was die Programmierer und Designer von HTC an dieser Stelle abliefern, ist tatsächlich beeindruckend. Könnte man die Hardware des ursprünglichen Touchs zum ersten Mal bei einem PDA-Phones „Sexy“ nennen, so kann man jetzt dieses Wort auch auf die Software anwenden.

Alle Funktionen werden in Tabs unterteilt: einer für die Musik, einer für das Wetter, einer für Mails, einer für die Applikationen usw. Das ganze wird zusätzlich mit einer Portion der Swipe-Gesten und coolen Animationen verfeinert.

Bis heute existiert die Meinung, dass der Ansatz von TouchFlo3D außerhalb der App-basierten Systemen einer der Besten sei.

Mit TouchFlo3D führt HTC die langfristig gültigen Designvorgaben für eigene Geräte, die später auch unter Android gelten. P.S.: Vergleiche das Foto mit dem oberen iPhone-Foto.

Allerdings kann HTC trotzt aller Bemühungen keine iPhone-Experience anbieten. Bohrt man etwas tiefer ins System ein, so gelangt man in das böse WM. Und das ist nicht das schlimmste – es gibt einen noch größeren Hacken: Weder hat WM eine native Unterstützung derartigen Animationen und Gesten, noch ist die Hardware so ausgereift, um die Schwächen des Systems auszubessern. Obwohl HTC mit 256Mb RAM und starkem Qualcomm SoC die bestmögliche Option einsetzt, reicht Diese nicht aus, um das Ganze in hoher Auflösung flüssig Laufen zu lassen. Das System hängt noch öfter, als es bei WM üblich ist.

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Funfact: Da Reviews und die ersten Kunden auf die Zögerlichkeit der Oberfläche arg reagierten, musste HTC mit einem Software-Update die aufgemotzten Animationen vereinfachen, um das Gerät flüssiger laufen zu lassen. Als ob von dem Schicksal verfolgt – mehrere Jahren später muss der gleiche Trick an das One X angewendet werden: Die Übergangsanimationen der neuen Sense 4.0 Oberfläche sind wieder zu überladen.

Aber nicht nur die gewissen Performance-Einbüße sind die größte Schwachstelle des Gerätes. Im Jagd nach perfekten Maßen verkleinert man den Akku noch stärker, als beim originalen Touch. Gerade 950 mAh sind dem neuen Handy überlassen. Wenngleich die eingesetzte (neue) Version von WM in dieser Hinsicht eine Verbesserung mitbringen sollte, sind die physikalischen Gesetze nicht zu verarschen brechen. Wer da Wunder erwartet ist selber schuld: Mit Touch Diamond fängt die tadelnswerte Tradition für alle Smartphones der Firma, eine mickrige Akkulaufzeit zu haben. Deren Ende wird erst in 5 Jahren mit HTC One gesetzt.

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Randomfact: Der Name Diamond lehnt sich nicht nur an das Claim des Unternehmens „Quietly brilliant“, sondern verleiht dem neuen Gerät auch das Design: Die diamantenförmigen Kanten sind neben der Größe und der TouchFlo3D-Oberfläche das wichtigste Unterscheidungsmerkmal dieses Handys.

Die anderen Geräte des Jahres leiten sich von dem Touch Diamond und seinem direkten Vorgänger ab: ein Seitenslider HTC Touch Pro (Review), ein größere Bruder des Diamonds HTC Touch HD (Review) und mehrere Variationen des alten Touchs. Aber ein PDA-Phone verdient die Ehre, besonders hochgehoben zu werden – HTC Maxx 4G. Der sprechende Name gibt dem Inhalt Preis. Schon wieder sorgt HTC für die Schlagzeilen rund um die Welt mit dem allerersten Handy mit einem 4G-Modul.

HTC Max 4G – Als ob extra für Apple gemacht: genau in diesem Jahr wird das iPhone 3G erscheinen.

Was das Ganze nicht so pornös macht – das Gerät ist für die spezifischen WiMax-Netze gedacht, über die nur ein Netzanbieter namens Yota in Russland verfügt (Ihr kennt evtl. den Namen in Verbindung mit dem Yota-Phone, dem zweiseitigen Handy). Zwar bietet der Operator dazu eine breite Palette zum Teil revolutionärer Dienste wie Video- und Audio-Streaming,  aber das Handy weist wegen der begrenzten Verfügbarkeit des Netzes nur einen mäßigen Erfolg aus  (im Genuß kommen nur die wenigen Großstädte Russlands). Somit verdient das Handy zwar eine Erwähnung, mehr aber leider nicht.

Was Smartphones ohne Touchscreen angeht, so lässt es sich sagen, dass HTC glücklicherweise eine extreme Desinvestition tätigt: waren es noch ein Jahr zuvor 6 eigenständige Modelle, gibt es jetzt nur 2 Handys, wobei das eine explizit für T-Mobile gefertigt wird, und das andere nur für die Erweiterung der Modellreihe „Touch Diamond“ dient. Die beiden Handys sind für die globale Entwicklung des Unternehmens irrelevant und im Großen und Ganzen gar nicht die Rede wert. (Abgesehen davon, dass HTC Rose wie ein Stück Scheiße außegewöhnlich aussieht). Dass die Smartphones ohne des Touchscreens für das Unternehmen auf lange Sicht irrelevant bind, erkennt man auch daran, dass es keine Iteration von TouchFlo3D für solche Smartphones gibt: Die ganze Anpassung beschränkt sich auf die farbliche Umgestaltung.

Das letzte Mal…

Dieses Jahr wird auch von der Beendigung des ODM-Werdegangs unseres Helden gekennzeichnet. Zum Abschluss werden zwei Produkte für die anderen Hersteller gefertigt. Während die Entwicklung für Palm eher langweilig  ausfällt, so ist die Kooperation mit dem alten Erzrivalen Sony-Ericsson recht interessant. Der schwedisch-japanischer Konzern plant den Aufstieg in die große Welt von Windows Mobile, da das zuvor verwendete UIQ dem Symbian s60 von Nokia aufgeopfert wurde (und wir wissen, was daraus geworden ist). Und welches Unternehmen hat das nötige Know-how und ist dafür bekannt, die besten Geräte in der ODM-Szene rauszuhauen? Natürlich HTC. Somit entsteht der Urgroßvater von heutigem Topseller Sony Xperia Z1.

Sony-Ericsson Xperia X1 aka HTC Kovsky – Eleganz pur

Das erste Xperia trägt den stolzen Zusatz X1 und stellt ein QWERTZ-Seitenslider dar. Da der Auftragnehmer ein ähnliches Modell in eigenem Portfolio hat, wäre es eventuell zu erwarten, dass die Profis von HTC eine halbe Sache liefern werden, doch dem ist nicht so. Das Handy hat tolles Design, hervorragende Konstruktion des gekrümmten Sliders und die State-of-the-Art Hardware. Was aber den Stil von HTC erkennen lässt, ist die GUI des Mischlings. Diese sieht zwar sehr nett aus, ist aber grafisch dermaßen überladen, sodass Diese kaum noch läuft. Allerdings verschwinden diese Probleme, sobald das Gerät sich in geübten Händen befindet: Schaltet man die überlastete Oberfläche aus und ersetzt durch einen der zahlreichen Launcher, so lässt das Gerät die Muskeln protzen und zeigt seine Schokoladenseite.

Android

Das komische Erzeugnis ist der Urgroßvater aller modernen Android-Smartphones.

Trotz des steigenden Erfolgs, Beendigung der ODM-Kariere und Kreierung der exzellenten WM-Smartphones, ist der geheime Hochpunkt des Jahres die Vorstellung des ersten kommerziellen Android-Smartphones. Es ist freilich egal, was mit HTC in 10 oder 20 Jahren passieren wird, Eins bleibt für die langen Dekaden erhalten – das erste Android Handy überhaupt kommt aus Taiwan und trägt den Namen HTC Dream. Bedeutend für die ganze Branche, dieses Ereignis kam wie ein Orkan durch allerlei Medien und kennzeichnete den Anfang einer neuen Ära. Obwohl das Handy an sich keinen großen Wert für Endkunden hat, ist der „Traum“ das wichtigste Handy des Jahres für die Community, Entwickler und Partnern (u.A. auch Google).

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Funfact: Die erste kommerzielle Android-Version hatte keine virtuelle Tastatur. Die lange Zeit gab es diesbezüglich eine klare Antwort: Die Android-Väter fanden Diese wegen der mangelnden taktilen Rückmeldung schlecht. Diese Ausrede stellte sich als Bullshit heraus, als Andy Rubin zugab, dass Android nach der Präsentation des iPhones so gut wie neuentwickelt wurde. Davor bediente sich das Google-System von dem BlackberryOS-Konzept und bot keine Unterstützung für Touchscreens an. Der wahre Grund ist also die banale Zeitnot, und nicht die eigenartige idealistische Wahrnehmung der Entwickler.

Aber wenn man die Situation aus der Perspektive von 2008 betrachtet, scheint Diese komisch zu sein: Das Handy hat keine sichtbaren Stärken in Hard- oder Software und ist an sich kaum interessanter als jedes anderes Device mit neuem Betriebssystem wie Openmoko oder Motorola Z10. Trotzdem bekommt HTC Dream das wahnsinnige Interesse aus allen Ecken.

Der Grund dafür liegt in der Herkunft des Neulings: Es ist das erste Kind der OHA oder Open Handset Alliance. Diesen Namen trägt die Initiative, in die die größten „freien“ bzw. „betriebssystemenlosen“ eintraten, um Apple und Nokia den Gegenwind zu erzeugen. Der Anführer dieser Gruppe ist Google und die vor 3 Jahren zugekaufte Abteilung namens Android. Da HTC für den außergewöhnlichen Innovationsdrang schon bekannt ist, wird entschlossen, die Entwicklung des ersten Gerätes an dieses Unternehmen zu überlassen.

Eine Win-Win-Situation sowohl für Google, als auch für HTC, denn die ersten bekommen einen der stärksten Smartphone-Hersteller auf dem Markt, und die zweiten einen enormen Vorsprung in Know-How.

Was heute noch sich viele erfolglos wünschen: Die Hardware-Tasten für Anrufannahme und -abweisung

Zur Erscheinung ist das Gerät aber kaum als herausragend zu bezeichnen. Es schlägt weder das iPhone mit seinen flüssigen Animationen und einfacher Logik, noch Hi-End PDA-Phones, die mit überlegener Funktionalität und Anzahl der Apps überzeugen.

Das Gerät basiert sich auf der Plattform von Touch Diamond, was die Entwicklungszeit etwas beschleunigte. Allerdings verzichtet man auf den hochauflösenden Display, was dem Gerät einen Geschwindigkeits-Boost verleiht: Wie auch oben steht, weißt Diamond bestimmte Performance-Probleme auf, wohingegen das erste Google-Phone recht zügig arbeitet. Das hohe Arbeitstempo ist aber bei Weitem nicht Alles: Die erste Android-Version war nicht nur primitiv, sondern hat gerne mal abgestürzt und hatte mit Kinderkrankheiten zu kämpfen.

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Funfact: Im Gegensatz zu Apple, wo alle Fragen über P0rno mit einem klaren „Nein“ beantwortet, war man bei Google eine Zeit lang unentschlossen. Deswegen war die gefühlte Mehrheit der Anwendungen im Android Markt (heute Play Store) eine Interpretation zum Thema „P0rno-Puzzle“. Warum Google darauf eine Zeit lang nicht eingegangen war, ist rätselhaft, aber wir wissen ja… *FAP-FAP-FAP*…

Wenn man denkt „Hey, es ist doch Android, es kann doch nicht so schlimm sein“, so liegt man mindestens schief. Android 1.0 unterstützt keine Widgets, hat Konsistenzprobleme innerhalb von Menüs und sieht optisch im Vergleich zu iPhoneOS oder TouchFlo3D nur durchwachsen aus. Zudem fehlen dem Android Market mehr oder weniger brauchbaren Apps und Spiele. Aber nicht alles ist so tragisch. So zum Beispiel legt Google schon mit der ersten Version die wichtigsten Meilensteine von Android an – die ausgereifte Benachrichtigungszentrale und die Anbindung an Google-Dienste. Maps, Youtube, gMail – Alles, was man heute noch kennt und liebt, ist dem Dream mit Android 1.0 nicht fremd.

Die Hardware-Seite ist auch weit von der Perfektion entfernt. Es sieht nicht nur wie ein Gerät auf der Prototypphase aus, sondern hat auch gewisse Nachteile der Konkurrenz gegenüber. So fehlt dem Gerät etwa ein 3,5mm Audioausgang – für Musikgenuss ist man gezwungen, einen Adapter zu benutzen. Auch die Kamera ist von der Qualität her abscheulich und kann sogar mit deren Äquivalent von iPhone nicht mithalten (iPhone bis seiner 4. Iteration stand im Begriff der schlechten Kamera). Aber wie die chinesische Weisheit besagt, Glück und Unglück erzeugen sich gegenseitig. So stellt die Empfindlichkeit des kapazitiven Touchscreens Alles außer des iPhones in Schatten.

Obwohl es kein Multitouch unterstützt (Softwareseitig, da die technische Unterstützung vorliegt) und man nur mit einem Finger auskommen muss, reagiert das Display recht zügig auf die Eingaben. Dies holt sehr viel aus: Die Handhabung des neuen Systems liegt im Vergleich zu WM auf einem hohen Niveau. Auch die QWERTZ-Tastatur ist alles Anderes als schlecht – trotzt eigenartiger Besetzung erfüllt sie ihren Zweck ziemlich gut.

Insgesamt bekommt man ein umstrittenes Gerät, das aber seinen wichtigsten Zweck bestens erfüllt – es lenkt die Aufmerksamkeit auf sich und legt das Fundament für die Entwicklung von Android an.

Epilog

Das Jahr 2008 gehört zu den erfolgreichsten und produktivsten Jahren in der Geschichte von HTC. Das Unternehmen hat es in kürzester Zeit geschafft, aus einem ODM-Hersteller zu einem Weltkonzern zu mutieren: nur 3 Jahren zuvor kannte Google „Helicopter Training Charter“ besser als High Tech Computers, und heute sprechen auch nicht-technogische Medien über die großartige Zukunft des jungen Unternehmens.

Die Orientierung sowohl auf Geeks, als auch auf Normalos bringt die finanziellen Früchte – die Aktien der Taiwaner verlaufen steng monoton wachsend. Aber wie reagiert HTC auf eigene steigende Macht? Kann das Top-Management mit Erfolg umgehen oder endet die Epoche von HTC wegen der Überforderung? Oder gibt es bald einen fatalen Gegner? Das und viel mehr in dem nächsten Artikel der Reihe. Stay tuned.

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