Lauschangriff im Wohnzimmer: Samsung wird zum Sündenbock

Unterhaltung

Am Wochenende ging es in Internethausen mal wieder heiß her. Netzpolitik hatte den Stein mit einer Kurzmeldung zu Samungs Smart-TV-AGB ins Rollen gebracht und da am Wochenende meist eh etwas Newsflaute ist und das Thema so herrlich zum Empören einlädt, machte es dann großflächig die Runde.

Worum geht es?

Kurz zusammengefasst lässt sich sagen, dass Samsung in den Nutzungsbedingungen seiner Smart TVs in einem Abschnitt erwähnt, dass die Informationen, die ein Nutzer in das Mikrofon spricht, auf Server (u.U. im Ausland) übertragen sowie von Partnerunternehmen ausgewertet werden können und man sich aus diesem Grund darüber im Klaren sein soll, ob man da wirklich Privates reinsprechen will.

In englischer Sprache klingt das etwas härter, als in deutscher Sprache.

Samsungs deutschsprachige Smart TV EULA | Bild: allaboutsamsung

Das Problem ist nun, dass das Problem an sich so vielschichtig ist, dass die Überschrift bei Netzpolitik, die da lautet „Bitte achten Sie darauf, nichts Privates vor unseren SmartTVs zu erzählen“ der Sachlage nicht gerecht wird. Samsung wird hier zum Sündenbock für eine seit geraumer Zeit gängige Praxis gemacht. Das ist gut für den Nutzer, da das Thema in den Fokus rückt, aber auch undifferenziert gegenüber dem Unternehmen.

Gängige Praxis

Zunächst einmal finde ich es vollkommen richtig, dass Unternehmen, die Spracherkennung bzw. Sprachsteuerung anbieten, dies auch in ihre Nutzungsbedingungen schreiben. Andersherum gesagt, es wäre schlimm, wenn sie das nicht machen würden. Das machen Samsung, LG, Apple, Google und viele weitere so. Sie alle sagen mehr oder weniger in ähnlichem Wortlaut, dass alles was gesprochen wird, auch online ausgewertet wird. Das wäre technisch notwendig.

Das ist nicht zwingend logisch, denn zum Beispiel zum Umschalten eines Sender wäre eventuell auch eine rein lokale Sprachsteuerung möglich. Mir persönlich wäre sowas sogar lieber, aber das wird nun mal nicht angeboten.

Bei Samsung bzw. Samsung TVs kommen nun mehrere Punkte zusammen, die vielen Nutzern in ihrer Gesamtheit sauer aufstoßen.

Die Gründe

Zu allererst reden wir von einem TV-Gerät. Hier muss man einfach erkennen, dass sich die Masse der Nutzer zwar daran gewöhnt hat, dass ihre Smartphones technologisch in den letzten Jahren einen großen Sprung nach vorne gemacht haben, aber das Thema Smart Home, vernetzter Haushalt usw. ist noch nicht in den Köpfen angekommen. Für viele ist es noch ungewohnt, einen TV zu besitzen, der vieles auch kann, was Smartphones können.

Für Leser von Techblogs ist sowas nichts Neues, hier wird ja sogar abgefeiert, wenn Google Now auf einmal „immer“ mithört, statt nur auf Tastendruck, aber wir spiegeln eben nicht die Durchschnittsnutzer wieder und die sehen alles Neue und Ungewohnte eher kritisch, besonders wenn es ihnen so hart und gekürzt vor Augen geführt wird, wie das beim aktuellen Thema der Fall ist.

Stichwort: Tastendruck

Ja, auch das macht in meinen Augen einen wichtigen Unterschied. Ich besitze einen LG-TV, der kann ebenfalls Aktionen per Spracherkennung durchführen. Nutze ich null, habe ich aber auch nicht abgeschaltet. Warum? Weil ich eine Tasten drücken muss, damit das Ganze initiiert wird. Auch dies kann sicher jeder anders sehen, aber ich denke es ist schon ein Unterschied, ob mich Geräte die ganze Zeit belauschen, in der „Hoffnung“ ich könnte „TV an“ sagen, oder ob sie mir nur zuhören, wenn ich zuvor eine Taste drücke.

Aus diesem Grund bin ich zum Beispiel für den Amazon Echo oder Google Now vom Lockscreen aus nicht zu begeistern. In der aktuellen Empörungswelle wird das Thema irgendwie völlig vergessen, was eventuell daran liegt, dass niemandem so wirklich klar ist, ob Samsung wirklich dauerhaft mithört, das nur per Tastendruck macht oder ob das eventuell sogar von Modell zu Modell unterschiedlich ist.

Update

Genau das stellt Samsung nun klar. Der TV an sich hört nur lokal mit, um Steuerbefehle wie lauter, leiser, Sender weiter etc auszuführen, drückt man die Taste an der Fernbedienung aktiv, dann springt die Sprachsuche an, die auch Daten online übermittelt.

Die größte Lüge im Internet: „Ja, ich habe die AGB gelesen.“

AGB lesen, sollte man immer, macht man aber eventuell zu selten. Auch dies ist natürlich ein Punkt, der nicht zu vernachlässigen ist. Ich bin schon lange ein Befürworter von „AGB in leichter Sprache“. Ich verstehe natürlich, dass man sämtliche rechtlichen Hinweise nicht in drei Sätze packen kann, aber kurze prägnante und vor allem prominent platzierte Hinweise neben den normalen AGB, vor allem wenn es um datenschutzrelevante Dinge geht, wären wünschenswert. User-0815 bekommt leicht das Gefühl, die Unternehmen wollen etwas vor ihm im „Kleingedruckten“ verstecken und empört sich dann umso mehr.

Auch ganz neue Ansätze fehlen mir hier irgendwie. Warum nicht die AGB bzw. EULA mit netter Formatierung nach einem Login nachmal per Mail versenden?

Samsung wird zum Sündenbock

Wie leicht zu erkennen ist, sind viele der Kritikpunkte, für die Samsung aktuell zum Sündenbock gemacht wird, durchaus auch bei anderen Herstellern zu finden. Kleinteilige und wenig prominent platzierte Benutzungsbedingungen oder die Online-Auswertung sämtlicher Inhalte sind sozusagen Industriestandard. Wo auch, aber bei weitem nicht nur Samsung nachbessern müsste:

  • Genauer aufführen, welche Drittunternehmen Zugriff auf die Daten haben und wie lange diese gespeichert werden. Das kommt mir nicht nur bei Samsung zu kurz.
  • Für „smarte“ Funktionen, die sensible Daten abgreifen, gezielt und deutlich nachfragen.
  • Beim Aktivieren von Funktionen leicht und verständlich aufklären. Ich denke hier z.B. an ähnliche kurze Nachfragen wie bei iOS: “Darf XZZ das Mikrofon benutzen?“ oder einfach: „Obacht, wenn du das einschaltest, dann ist dies und das möglich“
  • Keine „Noob-Option“ anbieten. Es ist zwar schön und gut, dass man bei TV-Einrichtung diversen Punkte einzeln zustimmen kann, so lange es aber eine Option gibt, allen Nutzungsbedingungen auf einmal zuzustimmen, wird diese von der Masse der Nutzer aus reiner Bequemlichkeit wohl auch genutzt.
  • Wünschenswert: Basisfunktionen wie: Lauter, Leiser, Umschalten, etc per lokaler Spracherkennung realisieren.
  • Für mich persönlich: Spracherkennung gerne, ohne Ende, aber nur nach Tastendruck
  • … mehr Vorschläge dürft ihr gerne in den Kommentaren ergänzen.

Welchen Fehler hat Samsung gemacht? Mal abgesehen von meinen Verbesserungsvorschlägen, haben sie sich zu genau in ihren Benutzungsbedingungen geäußert. Hätten sie die privaten Informationen gar nicht extra erwähnt, sondern auch (wie fast alle anderen Unternehmen) einfach darauf hingewiesen, dass einfach alles aufgezeichnet werden kann, hätte das Thema wohl nicht in dem Umfang die Runde gemacht. Dass es dann von Netzpolitik aufgegriffen wird, ein Medium, bei dem die Zielgruppe (oft zu Recht) etwas kritischer bei solchen Themen ist, war dann einfach Pech für Samsung. (Aber wie bereits gesagt, im Grunde gut für das Thema an sich.)

Das Thema in den Fokus rücken

Ja, ich finde es goldrichtig, dass auf diese Art Praxis aufmerksam gemacht wird und nein, nur weil es alle so machen, macht es das für den einzelnen nicht besser. Hier bedarf  es diverser Nachbesserungen bei allen Anbietern in der Branche. Das fängt bei Google und Apple an, geht über Software-Tastaturen mit Online-Auswertungen und hört bei Smart TVs auf.

Unsere Hardware wird sich in Zukunft immer mehr vernetzen und immer häufiger per Sprache steuern lassen, sie wird immer öfter in der Lage sein, theoretisch sehr private Bereiche zu überwachen bzw. in der Cloud auszuwerten. Hier sollte aber vor allem das Thema an sich in den Fokus gerückt werden, denn ein Shitstorm einer einzelnen Firma gegenüber verpufft schneller wieder, als der Durchschnittsnutzer „Schalte um auf RTL2“ sagen kann.

Schaut selbst genau hin, was eure Hardware mit eurer Zustimmung machen möchte und klärt unter Umständen technisch weniger bewanderte Familienmitglieder darüber auf. Generell kann man nur immer wieder für mehr Transparenz seitens der Hersteller werben und Mängel klar und deutlich benennen. Einzelne Firmen für gewisses Verhalten an den Pranger stellen, ist sicher auch mal okay, aber wird der Sache meines Erachtens nicht gerecht.


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