Kommentar: Mein Problem mit Elektroautos

Nio Elektro Auto Laden 2024 Header

Im Frühjahr 2023 gab es hier einen kleinen Einblick in die Elektromobilität bei mir und da habe ich schon einen Punkt hervorgehoben, der (gefühlt) immer schlimmer für mich wird: Lademöglichkeiten. Und ich spreche hier nicht von Schnellladern.

Wer elektrisch fährt, der hat vermutlich (jedenfalls geht es mir so) keine Lust, dass er ständig an Schnellladesäulen an der Autobahn hängt und daher plant man den Alltag so, dass das Auto quasi „immer“ voll ist. Doch das wird zunehmend schwer.

Ladeinfrastruktur stagniert seit Jahren

In meiner Straße habe ich, etwa zwei Minuten zu Fuß entfernt, eine Ladesäule von den Stadtwerken. Es ist eine AC-Ladesäule mit zwei Anschlüssen. Diese konnte ich früher quasi exklusiv nutzen, es war so ein bisschen meine ganz eigene Ladesäule.

Doch das hat sich geändert, denn mittlerweile ist diese fast immer blockiert und ein Port wird dauerhaft von einem Renault Zoe eines Carsharinganbieters belegt. Es kommt vor, dass ich daher gerne mal nach dem Aufstehen, wenn ich das Auto wirklich laden muss (ich bin in der Regel gegen 5 Uhr wach) direkt zur Säule gehe.

BMW i4 M50 an meiner Ladesäule

Am Sonntag war dann aber einer der beiden Anschlüsse defekt und das war es, ich konnte nicht laden. Es gibt noch einen Lidl, der etwas weiter ist, aber da kann man am Wochenende, wenn der Lidl geschlossen ist, nicht laden. Und das, obwohl das Laden dort mittlerweile Geld kostet, es geht dennoch nur zu den Öffnungszeiten.

Weitere AC-Ladesäulen wären viel zu weit entfernt und ich fahre sicher nicht zum Schnelllader, das dauert 5 bis 10 Minuten und dann steht man auch dort eine Weile.

Mittlerweile organisiere ich das aber früh genug, um Alternativen zu haben, derzeit hängt der Nio ET5 Touring also bei Lidl an der 50 kW-Säule, damit ich ihn nachher vollgeladen nutzen kann. Doch der Schwachpunkt des Wandels wird klar sichtbar.

Nio ET5 Touring am Lidl-Charger

Es sind immer mehr Elektroautos unterwegs, sei es bei uns in der Tiefgarage oder auf den Parkplätzen dieser Welt. Doch der Ausbau der Lademöglichkeiten hat (bei uns jedenfalls) seit Jahren stagniert. IKEA, Lidl und Co. warben am Anfang noch oft damit, aber es blieb bei wenigen Säulen, ausgebaut wird das seit dem nicht mehr.

Am Samstag waren wir auch bei IKEA, da konnte ich früher immer laden, doch jetzt warten dort gerne mal 1-2 Autos, bevor sie einkaufen gehen. Gut, es ist kostenlos bei IKEA, das ist für viele ein Argument, aber ausgebaut wird das eben auch nicht.

Wer nicht daheim laden kann, der hat zunehmend Pech. In einigen Gebieten, und das kann bei euch anders aussehen, ist die Zahl der Elektroautos mittlerweile so massiv (bei uns haben das Tesla Model Y und auch der MG4 einen VW Golf im Straßenbild abgelöst), dass die Infrastruktur das jetzt nicht mehr abdecken kann.

Tesla Model Y am Supercharger

Unser Vermieter plant seit zwei Jahren eine Möglichkeit zum Laden und kommt nicht in die Pötte. Und die Lösung, die man mal wollte, war extrem teuer und kam dann logischerweise nicht gut an. Ja, ich könnte da auch aktiv gegen vorgehen, aber mit Vermietern anlegen ist nie klug und es ist sowieso schon bald egal.

Ich wohne in einer Bahnstadt, in der in den letzten zwei Jahren viel gebaut wurde und es kamen unzählige Parkplätze dazu, einige wurden auch erneuert. Ratet mal, wie viele Lademöglichkeiten bei den ganz neuen Parkplätzen vorhanden sind. 0.

Vor ein paar Jahren wurde eine AC-Ladesäule mit mittelmäßiger Qualität aufgebaut und Lidl platzierte eine DC-Ladesäule mit 50 kW. Als das noch niemand nutzte, war das für mich Luxus und ich konnte auch sehr oft komplett kostenlos laden. Doch seit diesem ersten Push hat sich hier (und in anderen Gebieten) gar nichts getan.

Es kam keine Ladesäule im Umkreis dazu, auch nicht in einem Einkaufscenter, in dem auch mein Fitnessstudio ist, da könnte man ebenfalls perfekt eine Stunde so nebenbei laden, gibt es keine Option. Wo bleibt denn das „Deutschlandnetz“, mit dem 2021 so groß geworben wurde? Wobei man das nicht zwingend benötigt.

Bei der Langstrecke ist das hier schon sehr solide ausgebaut und ja, es kann sein, dass man an Reisetagen an der Ladesäule warten muss (ist mir allerdings noch nie passiert), aber die Möglichkeiten für Menschen, die nicht daheim laden, sind auf einem Stand von vor vier Jahren. Kein Wunder, dass da weniger wechseln wollen.

Der Umweltbonus war verschenktes Geld, das sehen wir gerade bei den ganzen Preisnachlässen der Hersteller. Man hätte das lieber in den Ausbau stecken sollen.

Elektromobilität ist dennoch die Zukunft

Dieser Beitrag ist übrigens kein Abgesang der Elektromobilität, die kommt und die wird ein kleines Land wie Deutschland auch nicht aufhalten. Umwelt hin oder her, das ist schon lange nicht mehr der entscheidende Punkt dabei. Das ist China, die ihre Chance erkannt haben und die Automobilbranche gerne übernehmen wollen.

Wir haben das vor einigen Jahren bei den Smartphones erlebt und sehen das auch jetzt. Daher muss sich die Denkweise zu diesem Thema eigentlich zügig ändern.

Doch bei uns deutet sich eher an, dass man den Verbrenner noch etwas länger hinauszögert, was China definitiv freuen wird. Und auch die USA mit Tesla sind von sowas sicher nicht abgeneigt, denn Tesla ist bei Elektroautos die Nummer 1 der Welt.

Die deutsche Automobilbranche hat zwar kluge Köpfe, die global denken und Audi, BMW und Co. haben schon lange größere Märkte im Fokus, aber wenn das Thema nicht bald intensiver angegangen wird, dann gibt man einen großen Teil der Branche ab. Die Mitarbeiter der Unternehmen sind immerhin auch entscheidend.

Nokia entschied sich damals, dass Symbian noch taugt und man das Geschäft mit Handys lieber nicht negativ beeinflussen möchte. Da wurden Android und iOS noch belächelt. Heute hat keiner mehr ein Smartphone einer Marke aus Europa in der Hand.

Google liefert Software für Porsche

Die Automobilbranche kämpft übrigens schon jetzt mit dem Wandel, weil man zu langsam war, denn die Volkswagen AG, BMW und Mercedes setzen auf Google und Android im Auto. Einen wichtigen Bereich gibt man also gerade ab und wir schauen zu und unterhalten uns darüber, ob die alte Technologie noch etwas länger bleibt.

Es ist noch nicht zu spät, aber falls sich die Denkweise im Kern nicht ändert, und der Ausbau der Infrastruktur ist da nur eines von vielen Beispielen, dann wird man es gegen Tesla, BYD, SAIC, Geely und Co. in Zukunft verdammt schwer haben.

Schuldenbremse schön und gut, aber in Zukunft nimmt man dann vielleicht die Schulden für notwendige Ausgaben und nicht mehr für Investitionen auf. Man kann natürlich die Vergangenheit wählen und hoffen, dass sich bitte nichts ändert, aber diese Wette würde ich nicht eingehen, dazu ist es mittlerweile schon viel zu spät.

Aber hey, bevor man dann 2050 ein chinesisches Elektroauto kauft und darüber jammert, dass man (wie bei der Digitalisierung) einen Trend verschlafen hat, kann man sich vielleicht noch 2040 einen neuen Verbrenner kaufen. Vielleicht sehe ich das hier zu kritisch, ihr dürfte mir jetzt gerne in den Kommentaren widersprechen.

Weitere Themen
Hinterlasse deine Meinung
145 Kommentare aufrufen
Die mobile Version verlassen